Andere sind immer anders
URS HABEGGER
URS HABEGGER verkauft seit 15 Jahren Surprise in der Bahnhofunterführung in Rapperswil. Wenn nicht Silvester ist, schreibt er über seine Erlebnisse vor Ort.
Ich kann mich gut erinnern, wie ich schon als kleiner Knirps an Silvester bis Mitternacht und darüber hinaus aufbleiben wollte, und das auch gedurft hätte. Es hat aber viele Jahre gedauert, bis ich es zum ersten Mal geschafft habe, ohne dass ich, die Augenlider schwer wie Blei, nicht schon weit vorher eingeschlafen bin, trotz aller Aufregung; da half nichts. Zu meiner Verteidigung: Wir Kinder waren an Silvester auch schon in aller Herrgottsfrüh mit Pfannendeckeln und anderen «Instrumenten» unterwegs und haben, so wie sich das an Silvester gehört, im Dorf anständigen Lärm gemacht.
Wir feiern also wieder einmal Silvester. Auf den Sekundenschlag, genau um Mitternacht, knallen Korken und Feuerwerk um die Wette, feierlich begleitet vom erhabenen Geläut der Kirchenglocken. Der Ruf und Wunsch «Es guets Neus» hallt tausendfach in Stuben, auf Partys und Strassen. Unzählige flinke Finger tippen ihn ins Handy und schicken «Es guets Neus» in die Welt hinaus. Überall herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit. Doch trotz aller Ausgelassenheit schleicht sich auch die bange Frage, was das neue Jahr wohl bringen mag, in so manche Menschenseele. Und insgeheim, in aller Stille, träumt jede und jeder von einer besseren Welt, dass sich die Welt zum Guten wende, als wäre der Sekundenzeiger in der Silvesternacht ein Zauberstab mit magischen Kräften.
Aber was wäre die Welt, was wären wir ohne Träume? Wer keine Träume mehr hat, der hat auch keine Hoffnung mehr, und wer keine Hoffnung mehr hat, der hat resigniert. Bisweilen werden Träume wahr!
Selbst wenn all unsere Träume fürs neue Jahr wahr werden würden; eins ist sicher: Auch im neuen Jahr werden andere Menschen immer anders sein als du und ich. Andere sind immer anders. Daran ändert auch dieses Jahr der mitternächtliche Sekundenschlag an Silvester nichts.
Ein Glück, hat sich mitten unter uns Feiernde der Respekt gemischt. Und mit ihm seine drei Schwestern, die Empathie, die Toleranz und die Wertschätzung. Diese vier sind gern gesehene Gäste. Sie sind überall beliebt und willkommen, an Silvester und danach, über das Jahr, in jeder Stube, auf Schritt und Tritt, im täglichen Leben, im Gewöhnlichen und Ungewöhnlichen, im Umgang mit den anderen. Niemand käme auf die Idee, ihnen die Tür zu weisen. Denn wir wissen; diese vier, der Respekt, die Empathie, die Toleranz und die Wertschätzung, sind die Grundlage für eine bessere Welt.
Wir können etwas dafür tun. Dafür, dass Träume wahr werden. Für eine bessere Welt.