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Strassenfussballer-Porträt
«Das ist mein kleines Paradies»

Der Basler Surprise-Strassenfussballer David Aellen hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. In seiner Freizeit zieht er Tomaten und Zucchetti im Garten – und Fische aus dem Rhein.

«Der Homeless World Cup in Glasgow war genial. Das Team war friedlich, wir hatten es lustig miteinander und ich habe neue Freundschaften mit Menschen aus aller Welt geschlossen. Das war wichtiger, als verbissen um einen Pokal zu kämpfen. Ich wusste von vornherein, mit unserem Team werden wir wohl öfter verlieren. Doch das macht mir nichts aus. Es ist ja auch klar: In der Schweiz gibt es nicht so viele Strassenfussballer wie etwa in Mexiko oder Brasilien. Dort sind es vielleicht 20 000 bis 30 000 Spieler, bei uns knapp 200.

Ich spiele seit 2003 in der Surprise-Liga. Ich bin über die Gassenküche und die Gassenarbeiter vom Verein Schwarzer Peter zu den Dragons Basel gestossen. In unserem Team gibt es nur noch zwei, drei andere Spieler, die auch schon länger dabei sind. Es ist ein Kommen und Gehen in der Liga.

Ich bin FC Basel-Fan, aber ins Stadion gehe ich seit dem Umbau kaum mehr. Ich finde, das Flair ist weg. Früher konnte man sich im ganzen Stadion bewegen, heute bist du in deinem Sektor eingeschlossen. Die Tribünen waren auch nicht gedeckt, es gab Grillstände, die Stimmung war besser. Heute schaue ich mir die Spiele im Fernsehen an.

Aber es gibt nicht nur Fussball im Leben. Ich schwimme, fahre Velo und fische. Im Rhein. Allerdings dauert es Tage, bis einer anbeisst. Jetzt im Sommer ist das schwierig, mit den Schwimmern. Da muss ich aufpassen, dass mir keiner in die Schnur schwimmt. Auch wenn ich reise, ist das Equipment immer dabei. Dabei muss ich nicht unbedingt weggehen. Mir reichen schon der Rhein und Basel. Beim Fischen entspanne ich mich. Die Ruhe, die Natur, das gefällt mir. Oder aber ich bleibe zuhause bei meinen zwei Katzen Glitzi und Mojo. Die habe ich von einem Freund übernommen, der in seiner neuen Wohnung keine Haustiere halten durfte. Wenn es das Wetter erlaubt, hänge ich im Schrebergarten ab, den ich mit einem Freund halte. Da ziehe ich Tomaten, Gurken, Zucchetti, das ist mein kleines Paradies.

Aufgewachsen bin ich im Hirzbrunnenquartier in Kleinbasel. Mein Vater zog nach der Scheidung aus. Meine Mutter war dann wohl etwas überfordert mit uns drei Kindern. Mit 17 ging ich von zuhause weg. Das war eine Kurzschluss-Aktion. Ich hatte die Schnauze voll, sagte: «Ich gehe», und zog zu einem Freund. Es ging drunter und drüber, schliesslich half mir meine Mutter später, eine Wohnung zu finden. Gelernt habe ich Koch. Mein Lieblingsmenü? Saucisson mit Dörrbohnen und Kartoffeln. Ich liebe die einfache, währschafte Küche. Da kippst du alles in einen Topf, und schon ist es fertig. Als Koch finde ich derzeit aber keine Stelle. Ich arbeite mal da, mal dort, was gerade anfällt.

Ich gehe ein bis zwei Mal pro Woche zum Schwarzen Peter, wo ich meine Bewerbungen schreibe. Dort gibt es PCs für Leute, die zuhause kein Internet haben. Mir haben die Gassenarbeiter auch geholfen, als es mir schlecht ging und ich keine Wohnung fand. Manchmal gehe ich da auch vorbei, um einfach nur Hallo zu sagen. Ich kenne praktisch alle Leute, die das Angebot nutzen. Denn ich verkehre oft an den sogenannten Brennpunkten der Stadt Basel: auf dem Claraplatz und vor dem Bahnhof. Da trinke ich ab und zu ein Bierchen. Vom Bahnhof hat sich die Szene wieder in die Rondelle bei der Elisabethenanlage verlagert. Der Park wurde nach dem Umbau gemieden, nun ist alles beim Alten. Nur ein paar Alteingesessene sitzen noch auf den verbliebenen Bänkli vor dem Bahnhof. Und wenn es zu laut wird in der Szene, verdrücke ich mich. Das gibt es ja ab und zu, dass einer nach ein paar Bierchen laut wird. Da hängt man zusammen ab, lacht, trinkt und plötzlich kippt die Stimmung. Das muss ich nicht haben.»