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Moumouni
... auf dem Rückflug

«Afrika ist einfach magisch. Ja! Afrika ist einfach ein Kontinent mit Seele. Wissen Sie, was ich meine?» Ich sitze im Rückflug von Kapstadt nach Zürich, und neben mir sprüht eine ältere weisse Dame vor Begeisterung. Ich weiss nicht so genau, was sie meint. Und auch nicht, ob ich es erfahren möchte. Ich ertrage das Gespräch nicht so gut. Ich habe Kapstadt nicht als magisch, eher als unheimlich empfunden. Ich bin noch ein wenig schockiert darüber, wie sehr der Geist der Apartheid noch durch die Strassen spukt. Und angewidert davon, wie sich, jetzt, da in der Stadt Wasserknappheit herrscht, die Hierarchie zwischen Schwarz und Weiss noch deutlicher abzeichnet. Und von den Touristen, den vielen Touristen, die sich von all dem nicht behelligen lassen. Es gibt Hotels, die auf ihren Websites die kritische Wassersituation leugnen und ihren Gästen versprechen, ihr Aufenthalt werde nicht von der Dürre beeinträchtigt. In manchen Townships dagegen wurde das Wasser schon abgedreht. 

Als meine Sitznachbarin unaufgefordert weitererzählt, stellt sich heraus, dass ihr magisches Afrika aus Safaris besteht. Kapstadt findet sie auch ganz toll. Das Afrika für Weisse also. Das in Katalogen immer mit «the true African experience» beworben wird. Wo man unglaublich viel Deutsch und Schweizerdeutsch hört. Ich denke an einen Laden in einer Touri-Strasse, der laut Schaufensteranschrift «Custom Designed African Culture», also massgeschneiderte afrikanische Kultur verkauft. Ich weiss nicht genau, was es dort alles zu kaufen gibt. Ich stelle mir vor, wie meine Sitznachbarin hineingeht und den Verkäufer fragt, ob er ihr nicht noch mehr schöne weisse Urlaubsorte anbieten könne. Er verweist auf den Strand in Mombasa. 

Ich denke an Sipo, den ich im Hotel kennengelernt habe. Er ist schwarz und kommt aus Johannesburg. Wir haben oft über das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weissen in Südafrika gesprochen. Am letzten Abend war er ein wenig aufgewühlt. Im Hotel hatte eine südafrikanische weisse Frau ihn gefragt, wo aus den USA er denn herkäme. Dass die Frau seinen südafrikanischen Akzent nicht erkannt hatte, läge daran, so Sipo, dass Weisse nichts über ihre schwarzen Mitbürger wüssten. So wenig, dass sie diese nicht einmal als Landsleute erkennen würden. Weisse wüssten nichts über die Kultur, die Sprachen und Lebensumstände der «Anderen». Die Anpassung, das Interesse und die Annäherung seien immer einseitig. Sipo hatte mir auch erzählt, dass es täglich frühmorgens in Kapstadt Stau gibt, wenn die Schwarzen aus den Townships in die Innenstadt fahren, um dort für die Weissen zu arbeiten. Das sei die einzige Bewegung zwischen Schwarz und Weiss, wenn man von den Township-Touren weisser Touris absehe. 

Meine Sitznachbarin reisst mich aus den Gedanken. Sie erzählt mir von einem Freund, der eine Farm im Landesinneren Südafrikas besitzt. Das könne sie sich auch gut vorstellen. «Das wäre richtig romantisch. Aber es ist ja inzwischen so unsicher geworden!» Ich frage nach, was sie meint, und sie erzählt mir, wie viele Zäune und wie viele Hunde ihr Freund hat. Jeweils zwei. Die Stewardess schiebt den Essenswagen vorbei. Den Rest des Fluges sprechen wir übers Essen, über Filme oder fliegen schweigend, halbschlafend nebeneinander her. Zurück. Nachdem wir Afrika gesehen haben. Und die Dürre. Und den Tafelberg. Und den grossen Botanischen Garten Kirstenbosch. Magisch.

 

Erschienen in Surprise 420/18