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Moumouni...
... berichtet aus der Moschee

Ich bin in Lahore, in einer der schönsten Moscheen überhaupt: der Wazir-KhanMoschee. Sie ist relativ klein und unglaublich beeindruckend. Jeder Zentimeter ist aus rotem Sandstein, geschmückt mit wunderschönen bunten Fresken, Stuckwerk, filigranem Mosaik und Kacheln. Ein netter Mann mit dunklem Teint und blauen Augen fragt meine Kollegin und mich, ob wir aufs Minarett möchten. Er sperrt uns die kleine Tür zum Turm auf. Wir steigen die engen Treppen ganz hoch, setzen uns zwischen die grossen Lautsprecher, die fünf Mal am Tag den Gebetsruf übertragen, und betrachten, wie der Tag in die Dämmerung übergeht. In der Ferne sind (tatsächlich) Papierdrachen zu sehen. Ich denke an den Roman «Drachenläufer» und bekomme so stark Gänsehaut, dass ich Angst habe, beim Abstieg durchs Treppenhaus hängen zu bleiben. «You want a date?», sagt der Mann zu mir, als wir wieder unten ankommen und im Hof der Moschee stehen. «Du Flegel!», denke ich mir. Und das in einer Moschee! Ich bin kurz sprachlos über den direkt geforderten Gegengefallen für die kleine Minarett-Tour. Frage mich, ob es auf Erden wohl einen Ort gibt, an dem man nicht plump angemacht wird? Männer! Und erst Männer mit schönen Augen! Denken, sie können sich alles erlauben. Das ungefähr schwirrt mir im Kopf herum. Bis mir auffällt, dass er uns eine Packung Datteln vor die Nase hält. Anstatt dreist nach einem Date zu fragen, bietet er uns eine der Früchte an. Hah! Vorurteile!

So ging es wohl auch dem deutschen Journalisten Constantin Schreiber, der in seinem neuen Buch «Inside Islam – Was in den Moscheen gepredigt wird» ein ziemlich einfaches Bild zeichnet. Von Imamen, die kein Deutsch sprechen, von vom Verfassungsschutz beobachteten Hinterhofmoscheen, von Parallelgesellschaften, die durch Predigten in fremden Sprachen gefördert werden. Mal wieder ein ziemlich einseitiges Bild unter dem Deckmantel angeblich unvoreingenommener Berichterstattung. Um dem etwas entgegenzustellen, gibt es die Aktion #MeinMoscheeReport, bei der deutsche Muslime in kurzen Tweets und längeren Facebookposts ihre lustigsten, normalsten und schönsten Anekdoten aus Moscheen erzählen. Erzählen, was ihnen dieser Ort bedeutet, was hinter der «Schwelle, die nur wenige Deutsche betreten», wie Schreiber schreibt, so passiert. Der deutsche Comedian Abdelkarim beispielsweis erzählt: «Hab schon viele Moscheen von innen gesehen. Weil es da keine Türsteher gibt.» Und: «Ein Imam hat mal bei der Freitagspredigt gesagt: ‹Allah ist mit den Gläubigern›. Danach hatten einige richtig Panik.»

Der von Schreiber verstärkten Misstrauenskultur stellen die Autoren von #MeinMoscheeReport humorvolle Geschichten gegenüber. Von der verzweifelten Suche nach den eigenen Schuhen nach einer Freitagspredigt. Von Gebetsräumen, die so voll sind, dass man sich beim Beten im Rock der Vorderfrau verheddert. Von wilden Kindern und schusseligen Imamen. Von der Moschee als Zufluchtsort nach einem anstrengenden Tag. Alle sind sich einig: Schreiber hat zu wenige Moscheen besucht, um ein allgemeines Bild zu zeichnen. Natürlich sind all diese süssen, lustigen Geschichten keine Antwort auf Radikalitätsvorwürfe. Und das ist okay. Es reicht vielleicht auch, zu erzählen, wie die Moschee für einen selbst kein Ort der Radikalisierung war, sondern Heimat, Gemeinschaft, Freizeit und Ruhepol. Man muss sich nicht jeden Schuh anziehen. In der Moschee muss man die Schuhe sogar ausziehen.

Fatima Moumouni sucht gern in einem Schuhhaufen nach ihrem Paar, um sie möchtegern-unvoreingenommenen Islamkritikern hinterherzuwerfen.

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