Da ich auch im neuen Jahr ein wenig um mein Bleiberecht in der Schweiz bangen muss, dachte ich mir, ich schaue mir mal das neue Einbürgerungsgesetz an. Bis ich mich für den Schweizerpass bewerben kann, dauert es wohl noch ein wenig: Man muss zwar nur noch zehn Jahre in der Schweiz überlebt haben, dafür darf man neu erst mit einem C-Ausweis eine Einbürgerung beantragen.
Ich habe einen Ausländerausweis B, für den ich jedes Jahr aufs Neue beim Amt bittstellen muss. Dabei muss ich einen Wisch unterschreiben, und zwar in einem Feld mit der Aufschrift: «Unterschrift des Ausländers». Jedes Mal, wenn ich das lese, finde ich es ein bisschen absurd, einfach wegen der Konnotation, die man sonst so mit dem Wort Ausländer verbindet. Aber gut, von B zu C ist es nur noch ein Schritt, und während ich zur immer besseren Ausländerin aufsteige, kann ich ja Aufenthaltsjahre sammeln. Ein Glück, habe ich keine F-Bewilligung! F steht für «v(!)orläufig aufgenommen» – und die Jahre, die Ausländerinnen und Ausländer mit einem F-Ausweis in der Schweiz verbracht haben, zählen ab 2018 bei späteren Einbürgerungsgesuchen nur noch zur Hälfte, warum auch immer.
Weiter neu ist, dass man in den letzten drei Jahren keine Sozialhilfe in Anspruch genommen haben darf. Habe ich nicht vor. Aber wenn ich nach zehn Jahren hartem Büezerinnen-Dasein und treuem Steuerzahlen in der Situation sein sollte, Sozialhilfe beanspruchen zu müssen, so habe ich mir vorgenommen, genau das zu tun: Lieber drei weitere Jahre nicht wählen können und Ausländerinnenunterschriften geben, als auf dumme Ideen zu kommen, um Geld zu sparen. Schwarzfahren zum Beispiel. Denn wenn ich das zu oft täte, hätte ich irgendwann einen Eintrag im Strafregister und mir die Chance auf einen Schweizerpass für mindestens zehn Jahre verspielt!
Die anderen Bedingungen erfülle ich wohl, sie machen mir aber trotzdem Sorgen. Das «Respektieren der Werte der Bundesverfassung» zum Beispiel – das ist auch neu. Ich weiss nicht genau, wie man das überprüfen will, denn in der Bundesverfassung stehen weder Werte noch ein Leitfaden darüber, was es heisst, sie zu respektieren. Integriert muss ich auch sein. Aber nicht nur das: Ich muss nachweisen, dass ich zur Förderung der Integration meiner Familienmitglieder beitrage. Wenn die Behörden befinden, dass mein Ausländerehemann zu schlecht Deutsch spricht, darf ich weiterhin nicht wählen und bleibe eine Ausländerin. Mitgehangen, mitgefangen! Ich hüte mich also davor, einen Ausländermann zu heiraten, der mir allenfalls noch die Einbürgerung versaut!
Apropos heiraten. Man könnte meinen, das neue Einbürgerungsgesetz solle abschrecken. Aber das stimmt nicht. Ich habe es durchschaut. Sie wollen uns eigentlich alle hier haben – so fest, dass wir sie heiraten sollen! Wenn ich einen Schweizer eheliche oder mich mit einer Schweizerin in eine eingetragene Partnerschaft begebe, dann ist nämlich alles leichter: Dann muss ich nur die letzten fünf Jahre in der Schweiz gewohnt haben. Alles, was sich die Schweizer Politik wünscht, ist die Integration der Eidgenossen, jeder soll einen sexy Ausländer oder eine sexy Ausländerin heiraten, und als Dankeschön bekommen die dann die Bürgerrechte. Was für ein toller Deal!
Erschienen in Surprise 416/18