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Bild: zVg

Hausbesetzungen in Amsterdam
«Die Wohnungsnot ist das Ergebnis neoliberaler Politik»

Elke Hauser arbeitet bei der Amsterdamer Strassenzeitung «Z! krant» und lebt selbst in einem ehemals besetzten Haus.

Elke Hauser, wie viele der Verkäufer*innen von «Z! krant» sind obdachlos? Ist Wohnen ein grosses Thema? 

Die Mehrheit ist obdachlos oder mietet sich illegal ein. In den Niederlanden und vor allem in Amsterdam herrscht grosse Wohnungsnot. Viele rechte Politiker*innen versuchen, diese Krise zu nutzen, um für die Schliessung unserer Grenzen und noch strengere Einwanderungsgesetze zu argumentieren. Dabei ist die Wohnungsnot das Ergebnis von über 12 Jahren neoliberaler Politik: Mit dem Verbot von Hausbesetzungen im Jahr 2010 wurde auch das Leerstehenlassen von Immobilien illegal. Doch es wird nur gegen Hausbesetzungen vorgegangen, Hauseigentümer*innen werden für Leerstand nicht bestraft. Für mich zeigt das, dass die Politik darauf abzielt, Immobilienbesitz zu schützen, aber nicht das Recht, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Sie wohnen selbst in einem ehemalig besetzten Haus. Wie kam es dazu?

Unser Wohnhaus wurde in den späten Neunzigern besetzt. Rund 10 Jahre später unterzeichneten Bewohner*innen und Stadtverwaltung einen Vertrag, der besagt, dass dieses Haus an eine Wohngemeinschaft vermietet werden soll. Auf diese Weise wurde das Gebäude vor dem kommerziellen Wohnungsmarkt bewahrt, ganz gleich, wer dort ein- oder auszieht. Der Vertrag lautet auf den Namen der WG. Auf ähnliche Weise wurden durch Hausbesetzungen auch viele Sozialwohnungen geschaffen. In den letzten Jahren ist es viel schwieriger geworden. Nach der Gesetzesänderung 2010 gab es noch ein gewisses Einverständnis zwischen Hausbesetzer*innen und der Polizei, heute wird man auf der Stelle verhaftet, wenn man bei einer Hausbesetzung hilft. 

Hat das Gesetz gegen Hausbesetzungen viel für die obdachlose Bevölkerung von Amsterdam geändert? 

Auch Obdachlose leben in besetzten oder ehemals besetzten Häusern, sie nutzen das Hausbesetzungsrecht und haben Zugang zu den Informationsstellen für Hausbesetzungen. Die Gruppe «We Are Here» ist ein bekanntes Beispiel dafür, und die heutige Gesetzgebung macht es sehr schwierig, ihnen zu helfen. 

Wer ist derzeit die am meisten gefährdete Gruppe auf dem Amsterdamer Wohnungsmarkt? 

Junge Menschen sind gefährdet, Menschen, die ihre Arbeit und damit ihr Einkommen verlieren, Menschen, die sich scheiden lassen und schnell eine neue Wohnung brauchen. Es gibt eine wachsende Gruppe von Leuten, die als «wirtschaftlich wohnungslos» bezeichnet werden. Sie finden nur deshalb keine Wohnung, weil es an bezahlbarem Wohnraum mangelt. Wenn es für diese Menschen schon schwierig ist, eine Wohnung zu finden, können Sie sich dann vorstellen, wie schwierig es ist, wenn man nicht die richtigen Papiere hat?


Diesen Text stellen wir Ihnen exklusiv online zur Verfügung. Den ganzen Beitrag zu Hausbesetzungen in Amsterdam finden Sie im Surprise Nr. 536 – auf der Strasse erhältlich vom 21. Oktober bis 3. November 2022.