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Tour de Suisse
Pörtner am Aeschenplatz in Basel

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

Übersichtlich ist er nicht, der Aeschen­ platz. Gelbe, grüne, schwarzweisse und weisse Trams fahren in alle Himmels­ richtungen, die Endstationen liegen teils schon im benachbarten Ausland. Hier bietet sich die Gelegenheit, in den letzten Jahren nur bedingt mögliche Auslandrei­ sen nachzuholen, ohne die Umwelt oder das Budget zu belasten. Der Platz ist ein Schienenlabyrinth, um das Busse, Autos, Velos und Fussgänger*innen krei­ sen. Der Reisecar einer grossen Kreuz­ fahrtgesellschaft sammelt Passagiere ein, zu einer weniger umweltfreundlichen Reise in fremde Länder. Die Strassen­ schilder weisen in die Richtugen Zoo und Schmerzklinik. Eine alte, verzierte Stahlsäule trägt stoisch und zuverlässig eine Anzahl der Leitungen, die es für den Trambetrieb nun einmal braucht. An je­ dem Ende des Platzes gibt es ein histori­ sches Kioskgebäude. Vor dem einen wer­ den an einem Stand Osternester für einen guten Zweck verkauft.

Wer hier den Platz überqueren will, muss wachsam sein. Die meisten Passant*­ innen sind mit Einkaufstüten, andere mit grossen Koffern und einer mit einem durchsichtigen Kehrichtsack unterwegs.

Genügend Bänke laden zum Verweilen ein, einige sind unter Konstruktionen aus Glas und Eisen vor Regen geschützt. Dort stehen auch zwei Bagger, die Gleise werden saniert, Dach und Bänke sind mit dem Kioskhäuschen verbunden, bil­ den ein schönes Ensemble, Jugend­ stil wahrscheinlich. In einem gelben Kas­ ten können die Bücher der Stadtbi­ bliothek zurückgegeben werden. In der­ selben Farbe ist das Plakat gehalten, das für die Hotline der anonymen Alko­ holiker wirbt. Weiter vorne steht ein auffälliger Rundbau, entworfen von ei­ nem berühmten Schweizer Architekten. Darin untergebracht ist die nüchtern angeschriebene Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Wichtige Institu­ tionen brauchen keine protzigen Schilder.

Gegenüber steht das Turmhaus, das mit seinen sieben Stockwerken in dieser Stadt der hohen Turmhäuser den Titel Turm bald aberkannt bekommen dürfte. Eine altmodische Digitalanzeige an dem Gebäude informiert über Zeit und Temperatur: Es ist 13 Uhr 06 bei 16 Grad. Die analoge Uhr auf der anderen Stras­ senseite zeigt indessen unbeirrt zwölf Uhr an. Die lokale Zeitung, die zeit­ weise für mehr Schlagzeilen sorgte als sie produzierte, hat hier ihren Haupt­ sitz. Darum herum gibt es Banken, Apo­ theken, Versicherungen, zumindest werben diese auf den Fassaden. Pax heisst eine, und es ist zurzeit etwas verwirrend, dass dies kein Statement ist wie auf bun­ ten, bestellbaren Fahnen zu lesen, son­ dern ein Firmenname. Eine Friedensver­ sicherung gibt es jedoch nicht, die Prämien wären zu hoch.

Ein Essenskurier sucht fluchend eine Adresse. In diesem Job drückt jeder Zeit­ verlust auf den Verdienst. Andere es­ sen im Gehen oder im Stehen, etwa bei dem kleinen Brunnen, im Schatten der Bäume. Weiter vorn hämmert unent­ wegt der Hammering Man, ein Kunst­ werk im Besitz einer Grossbank. Er erinnert die Leute in den umliegenden Büros daran, wie weit entfernt von eintöniger manueller Arbeit sie ihr Brot verdienen.