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Tour de Suisse
Pörtner in Othmarsingen

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt,

wie es dort so ist.

Am Bahnhof gibt es kein Park&Ride, sondern ein Kiss&Ride, doch zurzeit will sich niemand küssend verabschieden. Die Bahnhofstrasse führt zur Disch-Fabrik. Wo einst Zältli produziert wurden, die es an jedem Kiosk zu kaufen gab, werden heute laut Homepage Pastillen, Toffees und Hartbonbons für andere Firmen hergestellt. Offenbar wurden die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt, und anders als an vielen Orten ist die Fabrik immer noch ein Produktionsstandort.

Die Wegweiser Richtung Dorfzentrum führen erst einmal in eine Sackgasse. «Ende der Fahnenstange», wie eine Anwohnerin informiert. Das übersehene Schild zur richtigen Abzweigung wird nahezu strategisch von einem Föhrenast verdeckt. Der Weg ins Dorf führt bergab, oben stehen Einfamilienhäuser, Hunde bellen, «Vorsicht Kinder»-Schilder sind zu sehen, aber keine Kinder, denn es sind Ferien. Die Häuser sind einbis zweistöckig, es herrscht Ruhe im Quartier. Die Feuerwehr trägt den schönen Namen Maiengrün. Unten fliesst die Bünz, hier gibt es Mehrfamilienhäuser und eine Wiese mit Pferden, die nicht gefüttert werden dürfen. Während die einen vor allem Tiere verspeisen wollen, wollen die anderen sie vor allem füttern.

Offen steht die Tür des Gemeindehauses. Davor ein Brunnen und ein Tisch mit Bänken, der aber in der prallen Sonne steht und darum nicht dazu einlädt, sich niederzulassen. Der Parkplatz vor der Dorfbeiz ist riesig, hier können Grossanlässe stattfinden. Familienfeiern etwa, Hochzeitsgesellschaften, die es von der gegenüberliegenden Kirche aus nicht weit haben, oder auch Leichenmahle.

Am Eingang zum Kirchhof steht eine Gedenktafel, die anlässlich des 150. Geburtstages der Dichterin Sophie Hämmerli-Marti aufgestellt wurde. Der zweite Teil des Doppelnamens ist derselbe wie jener der Beiz gegenüber. Auf der Tafel finden sich Gedichte in Mundart sowie ihre Biografie, sie soll sich früh für Frauenrechte eingesetzt haben und deshalb angefeindet worden sein. Vor der Kirche blühen die Apfelbäume, auf der Terrasse sitzen die Rentner und diskutieren über den Putzfrauenlohn, der keinesfalls zu hoch sein sollte. Hier wird noch Zeitung gelesen, vom Lokalbis zum Boulevardblatt werden einander Artikel vorgelesen und kommentiert. Man hat Zeit, die Seniorenwanderung fällt aus, wie das Lokalblatt berichtet. Allerdings hätten die drei ohnehin nicht teilgenommen. Dafür zahlen sie, wie sie berichten, noch immer mit dem gelben Büchlein ein, einer hat keine Kärtchen, weil er ihnen nicht traut. Es ist davon auszugehen, dass die Poststelle hier noch rege genutzt wird.

Das Anschlagbrett gehört zu je einem Drittel der Kirche, der Eidgenossenschaft, die den Platz nutzt, um die Termine der Rekrutenschule bekanntzugeben und mit stimmigen Bildern für den Wehrdienst zu werben, und der Gemeinde, die Mütterund Väterberatungen anbietet und dazu die Fitnesskurse für Senior*innen sowie den gesamten Jahresplan der Zivilschutzorganisation ausgehängt hat. Im Fenster der Kirchgemeinde werden die Treffen der Alleinstehenden bekanntgegeben.