Manchmal wache ich schweissgebadet auf, weil ich träume, in einem Cervelat eingesperrt zu sein. Ich habe Angst, dass die Schweiz mir zu klein wird, wenn mir tatsächlich mal danach ist, mich einbürgern zu lassen, um meinem Wirtschaftsmigrantinnen-Dasein ein wenig mehr Sicherheit zu verleihen.
Dabei geht es mir nicht darum, dass die Schweiz geografisch gesehen tatsächlich sehr, sehr klein ist – so klein, dass sie verschwindet, wenn man auf der Weltkarte mit dem Finger darauf zeigt. Es geht mir mehr um den Nationalismus, der auf so penible Art auf Schweizer Kleinheit besteht. Nehmen wir zum Beispiel diese verdammte Cervelat-Debatte, die SVP-Nationalrat Andreas Glarner im Juli losgetreten hat: Ist es nicht verrückt, dass Nationalisten das Konzept der Zugehörigkeit zur Schweiz in ein mit Fleischresten gefülltes, circa zwölf Zentimeter langes Stück Darm zwängen wollen? Das wird mir zu eng. Erzählt mir meinetwegen eure Märchen von Armbrüsten und Äpfeln und davon, dass Fussballspieler keine Doppelstaatsbürgerschaft mehr haben sollten, weil ... (Ja, warum denn eigentlich?) Aber WURST?! Ist das etwa einer dieser dubiosen Werte, die das sogenannte christliche Abendland verteidigen muss? Was kommt als Nächstes? Einbürgerungstests, bei denen Cervelat-Einschneidefertigkeiten getestet werden?
Ich verstehe, wie Nationalismus und nationalistische Narrative funktionieren: Irgendetwas muss man sich ja erzählen, um sich miteinander identifizieren zu können, und gerade bei einer Willensnation muss man ganz schön einfallsreich sein. Gleichzeitig macht diese Nationalnarrative ja häufig so amüsant – wenn man mal davon absieht, dass sie dazu dienen, Menschen auszuschliessen oder gar umzubringen. Während die Geschichte Deutschlands beispielsweise relativ wenig amüsanten Stoff hergibt, berufen sich Leute in Lesotho (wie die Schweiz ein kleines Land mit vielen Bergen) auf einen Gründervater, der sich durch intelligente Diplomatie und Kriegsführung hervortat. Dieser verfasste einst nach einem erfolgreichen Aufstand ein Lobgedicht, in dem er sich selbst als Messer beschrieb, das den Bart des Widersachers abrasierte. Er benannte sich sogar nach dem Geräusch, das ein Rasiermesser macht («shwe-shwe»): König Moshweshwe. Wie kreativ!
Auch die Schweiz gibt einiges an interessanten Narrativen her. Das mit der Neutralität zum Beispiel. Viel sympathischer als irgendwelche Eroberungsgeschichten. Obwohl ich nicht weiss, was neutral daran sein soll, wirtschaftlich zu profitieren, wenn Unrecht geschieht. Aber Nationalnarrative sind ja häufig problematisch – ich zum Beispiel habe in der Schule gelernt, dass Deutschland nach dem Krieg von deutschen Witwen, den sogenannten Trümmerfrauen, aufgebaut wurde – nicht etwa von Gastarbeitern. Und siehe da: Bis heute fragen sich immer noch Leute in Deutschland, warum es dort so viele Türkeistämmige gibt und ob die wirklich dazugehören. Irgendwann glaubt man wohl, was man sich immer wieder erzählt. Es ist also nicht ganz wurst, welche Nationalmärchen man sich schafft! (Denkt an die vegetarischen Eidgenossen!)
Demokratie dagegen ist ein relativ cooles Narrativ. Ein Land macht sich gegenüber undemokratischen Prozessen verantwortlich, wenn es sich Demokratie auf die Fahne schreibt. Das gibt im besten Fall Platz für alle verschiedenen Stimmen innerhalb eines Landes. Im Gegensatz zu einem Stück (häufig brasilianischen) Rinderdarms.