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Moumouni
... und die Polizei

Ich weiss noch, wie ich mich das erste Mal in der Uni mit jemandem über den Spruch «All Cops Are Bastards» unter­ halten habe. Ich war ein wenig belustigt, meine Gesprächspartnerin hatte tat­sächlich einen ACAB­-Aufkleber auf ihrer Agenda kleben! Das fand ich ein wenig pathetisch und irgendwie «linksroman­tisch». Nicht dass ich ihre politische Meinung ansonsten nicht teilte, es war mir damals einfach zu viel. Zu klischee­haft. Und zu undifferenziert. 

Aber was ist jetzt mit den Bastarden? Einmal war bei mir eingebrochen worden und ich rief die Polizei, weil ich Angst hatte. Die Polizisten waren nett, gar keine Bastarde – und ich war froh, dass es so etwas gibt: eine Institution, die man an­ rufen kann, wenn man Hilfe braucht. Aber ich erinnere mich auch gut daran, wie oft mein Vater von Polizist_Innen kontrolliert wurde. Er machte sich dann einen Spass daraus, sie besonders lange aufzuhalten (eigentlich hielten ja sie ihn besonders lange auf). Wurde er nach dem Pass gefragt, zeigte er ihnen zuerst seinen abgelaufenen, ausländischen. Ich weiss noch, wie er später zuhause lachend erzählte, wie sich die Polizist_Innen zunächst gefreut hatten, einen richtig dicken Fisch im Netz zu haben: einen Afrikaner mit abgelaufenem Pass. Und dann habe er seinen gültigen, deutschen gezückt. Wahrscheinlich habe ich des­halb keine Angst vor Polizist_Innen. Mein Vater zeigte mir: Du bist ihnen nicht vollkommen ausgeliefert, manchmal kann man ihnen spielerisch etwas entge­gensetzen. Dafür bin ich ihm dankbar. 

Trotzdem: Ich lege im Zug immer eine Zeitung auf den Tisch, ich habe das Gefühl, das sieht anständiger aus und verringert die Wahrscheinlichkeit, kont­rolliert zu werden. Seit ich nicht mehr so süss aussehe wie als Kind, haben näm­lich auch bei mir die Kontrollen angefan­gen. Mir passiert das nicht so oft wie meinem Vater, was wohl eine Frage des Geschlechts und des Hauttons ist. Nur im Zug und im Fernbus werde ich kont­rolliert. Oft als Einzige. Letztens, als ich von Deutschland heim nach Zürich fuhr, musste deshalb ich ein bisschen schmunzeln, als die Polizisten im Zug schnurstracks an mir vorbeizogen und einen weissen Mann im Anzug kont­rollierten. Später dachte ich mir, es ging ihnen wohl an diesem Tag einfach um den «grenzüberschreitenden Bar­mittelverkehr»: Man darf nicht mehr als 10 000 Schweizer Franken einführen – das trauten sie mir wohl einfach nicht zu. Haha. 

Es gibt aber auch Leute, die sich gerade wegen der Polizei nicht sicher fühlen. Leute, die nicht ins Stadtbild passen. Leute, die extra knapp zum Flughafen fahren statt die empfohlenen zwei Stunden vor dem Abflug: «Dann ist we­niger Zeit zum Kontrollieren. Wenn sie es ernst meinen, verpasst man den Flug sowieso.» Leute, die bei einem Notfall die Polizei gerufen hatten und, statt Hilfe zu bekommen, von dieser verdächtigt und durchsucht wurden. Freunde, die sich an ihre erste Polizei­kontrolle erinnern: mit 13, öffentlich an die Wand gestellt und durchsucht. Ein 15­-jähriger Jugendlicher, der mir in einem Workshop erzählte, er sei schon einmal von einem Poli­zisten bei einer Kontrolle getreten worden. Lamin Fatty, der im Oktober 2017 in polizeili­chem Gewahrsam im Kanton Waadt starb. Mike Ben Peter, der im Februar 2018 während einer polizeilichen Massnahme in Lausanne ums Leben kam. Beide Fälle sind ungeklärt. 

Wer in institutioneller Position seine Macht so missbraucht, der ist ein ... nun ja, kein Bastard. Denn das ist gene­rell ein Scheiss­-Schimpfwort.

 

Erschienen in Surprise 422/18