Neulich kam jemand auf mich zu und sagte, er sei froh, dass die Initiative zur erleichterten Einbürgerung angenommen wurde, die Schweiz würde sonst so fremdenfeindlich erscheinen, was sie ja eigentlich gar nicht sei. Ich zitierte als Antwort meinen Kollegen Kijan Espahangizi: «Unabhängig vom Ergebnis ist es schlicht eine Schande, dass die absurde Abstimmung überhaupt stattfinden muss[te]. Und sie deutet darauf hin, dass es ein grundlegenderes Umdenken braucht.» Das hatte Kijan in seiner Winterrede im Zürcher Zentrum Karl der Grosse gesagt. In der Aargauer Zeitung schrieb er: «Wer in der Schweiz geboren bzw. aufgewachsen ist, sollte kein Geld zahlen, keinen Test bestehen und vor keiner Gemeinde vorgeführt werden müssen, um grundlegende Bürgerrechte wie Aufenthaltssicherheit, Rechtsgleichheit, Wahlund Stimmrecht zu erhalten.»
Ob die Schweiz fremdenfeindlich ist, darüber kann man sich natürlich streiten: Denn die Menschen, die seit Jahren von diversen SVPInitiativen bedroht werden, sind nicht fremd, «sie leben in diesem Land, sie arbeiten, essen, schlafen, feiern und lieben hier».
Was haben die Weltwoche und Surprise gemeinsam? Ein liebevolles Shoutout an Kijan! Jenes in der Weltwoche von Markus Schär Ende Januar polterte unter dem Titel «Unerfüllbare Zumutung» und war natürlich um einiges weniger liebevoll, als was Sie hier in dieser Ausgabe von mir zu lesen bekommen. Kijan ist für mich eine der wichtigsten Stimmen, die die Schweiz zu bieten hat. Das sieht die Weltwoche übrigens nicht anders: «Niemand meldet sich in der Ausländerpolitik so lautstark und selbstbewusst zu Wort wie der 37-jährige Historiker, der seit 2010 das Zentrum Geschichte des Wissens von Uni und ETH Zürich führt», heisst es dort, und es ist klar, dass Kijan damit ins Visier der Rechten gerät.
Was Autor Schär richtig macht, sind die vielen Zitate aus diversen Reden, Interviews und Artikeln Kijans. Denn wer ihn zitiert, sagt in Sachen Schweizer Migrationspolitik selten Dummes. Aber natürlich ist der Artikel gespickt von kleingeistigen Vorwürfen: Kijan sei erst seit zehn Jahren in der Schweiz. Subtext: Was fällt ihm ein, sich hier einzumischen und «die Schweizer mit seinen Thesen (aufzuschrecken)»! Weiter solle er nicht vergessen, dass sein Arbeitgeber, die ETH, die ja sogar von einem Ausländer gebaut worden sei (wow!), ihn sogar für seine Arbeit bezahle (WOW!). Subtext: Da kann das von Kijan thematisierte Rassismusproblem ja wohl kaum so schlimm sein. Schärs Hauptkritikpunkt scheint zu sein, dass Kijan nicht Schweizer, ja nicht einmal Secondo ist. Da stimme ich der Weltwoche zu: Ich wäre froh, würden auch Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft den Umgang der Schweiz mit ihren als Ausländer markierten Mitmenschen derart treffend kritisieren. «Ist doch nur die Weltwoche» wird jedoch häufig geantwortet, wenn ich mich über den Artikel aufrege. Ich muss sagen, auch ich fand den Artikel mehr süss als bedrohlich, und mein erster Gedanke beim Lesen war: «Wenn ich gross bin, möchte ich die Weltwoche auch mal zur Weissglut treiben.» Aber ich steh ja auch auf Battle-Rap. Da herrscht übrigens eine ähnliche Attitüde, wenn jemand die Mutter oder Herkunft beleidigt: «Is doch nur Rap», sagt man. Und dann wird zurückgeschossen. Das fehlt mir ein bisschen im hiesigen Diskurs: Ein lautes «Heb d’Schnorre» gen Weltwoche, ein noch lauteres «Fertig luschtig» gen SVP und ihre erniedrigenden Initiativen und ein «Yeah!» für Kijan von einem aktiven Publikum, das die Rezension von Kijans Thesen nicht den Rechten überlässt.
Wer wirklich an einer Schweiz interessiert ist, die nicht fremdenfeindlich ist, muss sich darum kümmern, welche Ideologien hier unangefochten herumschwirren, und muss Leuten wie Kijan, die mit ihrem Gesicht und Namen für eine solche Schweiz einstehen, Rückendeckung geben. Also: Wo ist die Crowd? Macht mal Lärm! Lesen Sie Kijans Texte und Interviews. Und setzen Sie sich für eine Schweiz ein, die nicht dem Bild der Weltwoche entspricht.
weitere Moumouni