#506 Knast
Schicksalsmaschine
Ob und in welchem Ausmass Kriminelle gefährlich sind, soll in Zukunft immer mehr von Computern festgestellt werden. Auch in der Schweiz. Dazu benötigt werden einige Dutzend Fragen zu Kindheit, Schule, Beruf, Bekanntschaften, Drogen, Gewalt etc. sowie eine ausgeklügelte Software, welche die Antworten in ein Punktesystem übersetzt. Am Ende spuckt der Rechner auf einer Skala «Risikowerte» für Gewalttätigkeit und Wiederholungs- gefahr aus – als Grundlage für die Verurteilung und das Strafmass.
Die Idee hinter diesen digitalen Richtern: Schnellere und kostengünstigere Gerichtsverfahren sowie mehr Objektivität in
der Urteilssprechung; schliesslich ist hier eine Maschine am Werk und nicht der Mensch. Dazu aber müsste die Arbeits- weise des Computers vollumfänglich transparent sein. Was nicht zwingend der Fall ist. Wie der Algorithmus zu seiner Ein- schätzung kommt, bleibt Polizeibeamt*innen, Gefängnisaufseher*innen, ja sogar den Anwält*innen selbst oft ein Rätsel.
Auch die Objektivität wird angezweifelt. In den USA, wo derlei Software inzwischen häufig angewendet wird, hat man Tausende von computerbasierten Prognosen über die Rückfallgefahr von Beschuldigten mit dem tatsächlichen Geschehen in den fol- genden zwei Jahren verglichen. Dabei wurde Afroamerikaner*innen und Latinos signifikant oft und fälschlicherweise ein kriminelles Leben vorausgesagt, wohin- gegen weisse Vorbestrafte häufig eine gute Prognose erhielten.
Fachleute reden dann beschönigen von einer «ungünstigen Sozialprognose». Was eigentlich damit gemeint ist, ist so simpel wie menschlich – auch wenn es sich um eine Maschine handelt: Kommen oben Vorurteile rein, kommen unten halt wieder Vorurteile raus.