Das Geschäft mit den Schulden

In der Schweiz gibt es immer mehr Arme – auch weil es immer mehr Schulden gibt. Wir wollen wissen, was das mit den Leuten macht, wer davon profitiert und was sich ändern lässt.

21.05.2021Klaus Petrus, Illustration: Marcel Bamert

Illustration: Marcel Bamert

 

Die Schweiz wird immer ärmer. 2019 waren gemäss Zah- len des Bundes über 700 000 Menschen von Armut betrof- fen, weitere 600 000 leben nur knapp über der Armuts- grenze – sie liegt bei Einzelpersonen bei 2279 Fran- ken im Monat, bei Familien sind es 3976 Franken.

Die Ursachen dafür sind vielfältig, die Konsequenzen aus einem Leben in Armut ebenso. Fest steht: Wer wenig Geld hat oder keines, kann früher oder später die laufen- den Lebenskosten nicht mehr decken. Armut führt meist zu Schulden, und Überschuldung treibt die Menschen fast immer in die Armut. Es ist ein Teufelskreis, aus dem nur schwer herauszukommen ist.

Natürlich gibt es einige von uns, die sich bloss vorü- bergehend verschulden und die, so sie eine Weile ausrei- chend sparen, auch wieder aus der Misere herausfinden. Die Zahlen zeigen aber auch: Es ist sind immer wieder dieselben, die unter Schulden leiden – Personen ohne berufliche Ausbildung, alleinerziehende Frauen, Mi- grant*innen, kinderreiche Familien, alleinstehende Rent- ner*innen. Unsichere Zeiten wie die jetzige Corona-Krise verstärken den Druck auf diese Menschen, Kurzarbeit oder gar der Verlust des Jobs zwingen sie dazu, noch mehr auf ihr Geld zu achten; oft reicht es dann nicht mehr für die notwendigen Ausgaben.

Mit einer vierteiligen Serie widmet Surprise sich dem Phänomen Schulden und seiner Tragweite für Betroffene und die Gesellschaft (siehe Box). Dass wir einen derart ausgiebigen Fokus gerade zu diesem Thema in Angriff nehmen, ist kein Zufall: Armut und Schulden hängen eng zusammen. Wer Schulden verhindert, bekämpft auch die Armut. Schuldenprävention ist ein mächtiger Hebel, um die Schwächsten unserer Gesellschaft besser zu stellen – und ein vernachlässigter dazu.

Bereits im ersten Teil der Serie werden wir aufzeigen, dass die Schweiz diesbezüglich Nachholbedarf hat. Ver- schiedene Schrauben im Schweizer Gesetz sind so gestellt, dass Schuldner*innen tendenziell benachteiligt sind. Und andere von ihnen profitieren. Dazu gehören die Inkasso- branche, Kreditunternehmen, private Schuldensanierer – aber auch Betreibungsämter und gar die Krankenkassen. Die Schuldenfalle ist hierzulande besonders weit geöffnet. Dass Armut in der Schweiz oft mit Schulden einhergeht, hat aber auch einen Vorteil: Die Schrauben können an- ders gestellt werden. «Jedes Land hat die Verschuldung, die es sich selber gibt», sagt Schuldenforscher Christoph Mattes von der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Im Verlauf der Serie werden wir uns auch fragen, was die Schulden mit Menschen machen, wie sie deren Leben rui- nieren können, wir werden beleuchten, wie unser Wohl- stand auf Schulden aufbaut und warum das problematisch ist. Und wir werden auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene Lösungen vorstellen, die dabei helfen, Schulden – und damit Armut – wirksam zu bekämpfen.

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