Surprise Strassenchor
Musik beeinflusst Herzschlag, Atemfrequenz und Blutdruck. Musik kann beflügeln, entspannen, emotional berühren, Erinnerungen wachrufen und sogar Schmerzen lindern. 2009 rief der Verein Surprise deshalb den Strassenchor ins Leben: Ein soziales Projekt, das sich gezielt an sozial benachteiligte und ausgegrenzte Menschen richtet.
Aktuell singen im Strassenchor rund 30 Chormitglieder aus neun verschiedenen Ländern gegen ihre soziale Ausgrenzung. Unter professioneller Leitung proben sie einmal wöchentlich, zeigen ihr Können an öffentlichen Auftritten oder unternehmen gemeinsam kulturelle Aktivitäten.
Alle Informationen auf einen Blick
Proben
Ort: Union, Klybeckstrasse 95, 4057 Basel (1. Stock)
Zeit: Dienstag von 17.30 bis 19.30 Uhr
Mitsingen
Komm zum Surprise Strassenchor und leih uns deine Stimme. Zusammen können wir beim Singen Dampf ablassen, durchatmen, Kraft tanken – und den richtigen Rhythmus finden. Wichtiger als die richtige Tonlage ist die gute Stimmung.
Die Teilnahme ist gratis und wir unterstützen dich auch bei den Fahrkosten. Mach mit und lass uns gemeinsam singen – wir freuen uns auf dich!
Chor buchen
Bunt, fröhlich und mit Herzblut: Lassen Sie sich anstecken von der Lebensfreude des Surprise Strassenchors und buchen Sie den Chor für Ihren Event.
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Unsere Chormitglieder singen gegen Ihre soziale Ausgrenzung. Und das kommt gut an. Der Surprise Strassenchor gehört zu den meist gebuchten Chören im Raum Basel.
Ein musikalisches Angebot mit integrativem Charakter
Der Surprise Strassenchor ist mehr als ein kulturelles Angebot, er ist ein umfassendes und tiefgreifendes sozialarbeiterisches Projekt, das die psychische Stabilisierung, das Wohlergehen sowie die soziale Integration der Teilnehmer*innen zum Ziel hat.
Die Sänger*innen sind im Alltag oft mit Schwierigkeiten und Problemen konfrontiert. Die Angebotsleiterin und ein Sozialarbeiter fungieren hier als Ansprech- und Vertrauenspersonen und leisten individuell und niederschwellig Beistand. Dabei sind sie mit den unterschiedlichsten Themenbereichen konfrontiert. Ob bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche, bei Schulden, im Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen: Surprise ist es ein grosses Anliegen, die betroffenen Personen umfassend und hürdenfrei zu begleiten. Bei komplexen Herausforderungen triagiert Surprise in Kooperation mit Fachstellen aus der Rechtsberatung oder Psychologie.
Die nächsten Auftritte
Auftritt Strassenchor am Adventsmarkt beim Zwinglihaus, Basel
Zwinglihaus, Gundeldingerstrasse 370, 4053 Basel
Die Sänger*innen
Alles hat Platz im Strassenchor – von heiter bis traurig – musikalisch ebenso wie persönlich und zwischenmenschlich. Ich bin stolz auf unsere Vielfältigkeit, das Verständnis füreinander und dass wir alle so sein dürfen, wie wir eben sind.
– Johanna Buri, Chorsängerin im Surprise Strassenchor seit 2016
Den Surprise Strassenchor unterstützen
Sänger*innenportraits
ICH KENNE EINE DUNKLE SEITE DER STADT
Kommunenleben, Afghanistanreisen, Gefängnis: Der Basler Viktor Zimmermann, 64, hatte ein bewegtes Leben. Heute singt er im Surprise Strassenchor.
«Ich war 15, als die 68er-Bewegung in Basel langsam um sich zu greifen begann. Alles war damals interessanter als Schule für mich, ich war leichte Beute. Ich brach das Gymnasium ab, und das Leben war gut. Mit 18 eröffneten ich und meine Freunde das erste makrobiotische Restaurant in Basel, am Claragraben. Ein Jahr später wurde daraus das Autonome Jugendzentrum, und ich ging auf Reisen. Afghanistan blieb mir besonders in Erinnerung, ich war da sicher ein halbes Jahr.
Als ich zurückkam, machte ich eine Ausbildung zum Programmierer. Ich fand einen super Job, aber an meinem ersten Arbeitstag begrüsste mich im Büro statt dem Chef die Polizei und packte mich direkt ein. Hasch- verkauf gab damals zwei Jahre. Nachher war es natürlich erst einmal vorbei mit jeglichen Karriereambitionen oder Familienplänen.
Ich wohnte in Kommunen oder WGs, und mein Weltbild änderte sich. Bald besetzten wir Häuser. Das war nur so halb legal, aber es war die einzige Lebensform, die uns erstrebenswert erschien. Wir wurden Idealisten. Zeitweise waren wir sogar sehr radikal. Einfamilienhäuser, Monogamie, eigene Zimmer, all das war für uns der Kapitalismus und somit nicht tragbar. Bis tief in die Achtziger glaubten wir an die Revolution. Wirklich, wir glaubten das, wir sagten uns von unseren Familien los, brachen unsere Ausbildungen ab, weil wir daran glaubten, dass etwas Grösseres bevorstand. Irgendwann wachten wir einer nach dem anderen auf.
Für mich bedeutete das erst einmal einen erneuten Absturz in die Drogen. Diesmal blieb es nicht beim Hasch. Ich hielt eine bürgerliche Fassade aufrecht mit Frau und Einfamilienhaus, dahinter aber dealte und konsumierte ich. So waren schnell ein paar Jahre vorbei. Irgendwann erledigte sich dieses Doppelleben aber von selbst. Meine Freunde fingen mich auf, das war sicher wichtig für mich. Aber es war natürlich zu spät. Ich war ein Mittvierziger ohne Ausbildung, also blieb mir der Arbeitsmarkt verschlossen.
Die nächsten paar Jahre verkroch ich mich in meiner Einzimmerwohnung. Dann, mit 55, bekam ich beim Roten Kreuz eine Schnellausbildung zum Pfleger und fand sogar ein Praktikum. Das gefiel mir wirklich gut. Meine Chefin kämpfte für eine Festanstellung für mich, aber als Arbeitnehmer in diesem Alter wäre ich zu teuer geworden. Also mischelte ich mich irgendwie durch, und jetzt bin ich seit einem Jahr Rentner. Von einer Freundin erfuhr ich, dass Surprise einen Stadtführer für den Sozialen Stadtrundgang sucht. Das sprach mich an, ich glaube, dass ich das gut könnte. Ich kenne eine dunkle Seite dieser Stadt.
Kurz nachdem ich mich bei Surprise meldete, wurde ich zu einer Chorprobe eingeladen. Weil ich zuvor zufällig auch die Chorleiterin an einem Sommerfest kennengelernt hatte, ging ich einfach mal hin. Im Strassenchor wird viel Wert auf das «wir» gelegt, das spricht mich immer noch an. Egal, ob bei Auftritten oder einfach nur in der Probe, wir machen das zusammen. Und das, obwohl die Leute unterschiedlicher nicht sein könnten. Das tut mir gut. Ich war jetzt zwei Winter lang zu oft alleine. Ich würde mich eigentlich nicht als musikalische Person bezeichnen, aber meiner Stimme beginnt man das Üben langsam anzumerken. Das ist motivierend. Ich bin immer noch daran interessiert, Stadtführer zu werden, aber im Chor bleibe ich auf jeden Fall.»
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 400 des Surprise Strassenmagazins.