Digitalisierung: Unentbehrlich

Für Geflüchtete sind Smartphones meist ein Segen – und manchmal auch ein Fluch.

30.06.2023TEXT: KLAUS PETRUS, ILLUSTRATIONEN: TIMO LENZEN
Auf Schritt und Tritt verfolgt

ILLUSTRATION: Timo Lenzen

«Ob Grenzpolizei, Behörden oder Schlepper – sie können mir alles nehmen, nur mein Handy nicht.» Solche Sätze hört man oft von Geflüchteten auf ihrem Weg etwa in die EU-Staaten. Tatsächlich gehören Smartphones zum Wichtigsten, das sie bei sich tragen: dank ihnen bleiben sie mit ihren Familien in Kontakt, können via Karten und Navigations-Apps mit Schleppern kommunizieren, sich untereinander per GPS über Routen austauschen und gegebenenfalls Notsignale an Hilfsorganisationen senden. Auch unmittelbar nach der Ankunft in einem fremden Land bleibt das Smartphone und damit der Zugang zum Digitalen unentbehrlich, wenn es etwa darum geht herauszufinden, wo es Beratungsstellen gibt, welche Behörden aufzusuchen sind oder wer Sprachkurse anbietet; hierzu gibt es in unterschiedlichen Ländern inzwischen eigens dafür entwickelte Apps, wie zum Beispiel in Deutschland «Integreat».

Freilich hat das Handy auf der Flucht auch seine Tücken. So sind die Informationen, etwa in einschlägigen Facebook-Gruppen oder auf Telegram, nicht immer vertrauenswürdig; nachweislich bewegen sie dort auch Schlepper, die Geflüchtete gezielt in die Irre führen. Um derlei vorzubeugen, haben NGOs spezielle Apps entwickelt – etwa «Refugee Transit» –, wo laufend Information über Gefahren entlang der Fluchtrouten gesammelt werden. Schliesslich hinterlassen Smartphones eine Unzahl digitaler Spuren. Sichere Verschlüsselungssoftware kostet Geld und ist umständlich zu bedienen; geht es «bloss» um Fluchtwege, sind inzwischen Navi Apps verfügbar, die auch offline funktionieren. Nicht zuletzt dürfen Behörden in den Ankunftsländern vermehrt die Handys der Geflüchteten auswerten, sofern die Identität, die Nationalität oder der Reiseweg von Asylsuchenden nicht anders festgestellt werden können. In der Schweiz wurde dies vom Parlament 2021 beschlossen (ausführlich im Artikel «Auf Schritt und Tritt Verfolgt» im Surprise #553 auf Seite 22).

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