Pörtner in Büren an der Aare
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
Gäbe es in der Schweiz, ähnlich wie in Frankreich, eine Auszeichnung für die schönsten Dörfer (oder Städtchen), wäre Büren an der Aare eine Kandidatin. Viele der Gebäude sind alt – und gut erhalten. Auf einigen Fassaden lassen sich noch die ehemaligen Geschäftsnamen ablesen, ein Hotel, ein Eisenund Kohlehandel etwa. Es gibt enge Gässlein und versteckte, eingefriedete Hinterhöfe, hölzerne Balkone. Auffällig sind die Holzbeigen vor einigen dieser Häuser. Wer darauf verzichtet hat, sein Gebäude mit moderner Heiztechnik aufzurüsten, hat nun gut lachen und braucht die hohen Energiepreise und drohende Mangellage nicht zu fürchten.
Auswirkungen hat die aktuelle Lage auf die Energieversorgung Büren AG, an deren Hauptsitz auf das 20-jährige Bestehen hingewiesen wird. Das Zentrum besteht aus schmalen, alten Häusern, die einen Kopfstein-gepflasterten Platz umgeben. Dass sich hinter den altmodischen Fassaden durchaus auch dynamische Menschen verbergen, ist an der Verkaufsstelle für eine bekannte deutsche Sportwagenmarke abzulesen. Der auf dem unteren Teil des Platzes stattfindende Markt besteht hingegen nur aus einem Käseund einem Fleischstand, der Traditionelles wie Gnagi und Burehamme anbietet, ein dritter, vermutlich der Gemüsestand, hat sich abgemeldet, «Witterungsbedingt», wie auf einem Zettel an einem rot gestrichenen Holzbock zu lesen ist. Bestellungen sind möglich.
Gegenüber, in alter Schrift an der Fassade angeschrieben, das Radio und TVGeschäft. Davor eine Tafel: China Offen.
Es handelt sich dabei aber nicht um Informationen über die Lockerung der Null-Covid-Politik des Landes, sondern um den Hinweis auf ein geöffnetes China-Restaurant. Die Kulinarik von Büren ist in asiatischer Hand. Neben dem chinesischen gibt es thailändische und indische Lokale. Im Gesundheitszentrum Lotos wird bewusstes Haareschneiden angeboten, neben Tantra-Massagen und Einzelsitzungen.
Die Uhr des imposanten Schulhauses zeigt fünf vor zwölf, dies kein Kommentar zum Zustand der Welt, sondern die aktuelle Uhrzeit.
Davor stehen ein exakt rechteckiges, graues Gebäude und ein futuristischer Bau, der an einen Felsen oder ein Gürteltier erinnert. Vielfältig ist das Kulturangebot. Es werden Töpferkurse angeboten, eine Musikschule bietet Kontrabassunterricht. Es gibt eine Steinhandlung, Art on Stone, Galerien, ein Geschäft für hier hergestellte Gitarren, eine Fashion Manufaktur und die Skulp-Tour. Diese führt an den zahlreichen im Ort verteilten Skulpturen vorbei, neben den offiziellen Stücken sind auch Werke in privaten Gärten zu sehen. Etwa farbige Emaille-Pfannen auf den gestutzten Stämmen eines Haselstrauchs, wobei hier nicht ganz klar ist, ob es sich um Kunst oder Baumpflege handelt.
Die namensgebende Aare fliesst unterhalb des Zentrums vorbei, über die schöne Holzbrücke gelangt man ins Nachbardorf Reiben. Am Fluss gibt es etwas, das wie ein kleiner Badesteg aussieht, sich aber als Bootsparkplatz entpuppt. Offenbar kommen die Leute per Boot nach Büren, wo sie das Tourismusbüro erwartet.