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Die Sozialzahl
Politik des Einkommens

Über wie viel Geld verfügen Familienhaushalte in der Schweiz tatsächlich? Und wie beeinflusst die Politik die Höhe dieser frei verfügbaren Einkommen?

Würde man Leute auf der Strasse fragen, mit wie viel Geld sie im Monat auskommen müssen, würden die meisten an ihren Lohn oder ihre Rente denken. Doch stimmt dieser spontane Gedanke? Über wie viel Geld verfügen Familienhaushalte in der Schweiz tatsächlich? Und wie beeinflusst die Politik die Höhe dieser frei verfügbaren Einkommen?

Zur Illustration nehmen wir das monatliche Haushaltsbudget von Familien, die zu den einkommensärmsten 20 Prozent gehören. Sie haben in der Regel ein bis zwei Kinder. Das Erwerbseinkommen einer solcher Familie betrug im Untersuchungszeitraum 2015–2017 monatlich 5172 Franken. Dazu kommen geringe Einnahmen aus Vermögen oder Vermietung sowie deutlich höhere Sozialleistungen wie Prämienverbilligungen, Sozialhilfebeiträge oder ähnliches mehr. Ein solch typischer Familienhaushalt kam damit auf ein Bruttoeinkommen von 6360 Franken. Doch dieser Betrag steht nicht zur freien Verfügung. Vielmehr müssen davon Sozialversicherungsbeiträge, Steuern und die Krankenkassenprämien der Grundversicherung bezahlt werden. Das verfügbare Einkommen betrug darum nur 4513 Franken. Davon muss zudem die Miete abgezogen werden. So kommt man zu einem tatsächlich frei verfügbaren Einkommen. Dieses betrug im Betrachtungszeitrum 3108 Franken. Damit kann oder muss die Familie ihre Konsumausgaben für Nahrung, Kleidung, Mobilität, Unterhaltung etc. finanzieren.

Dieses frei verfügbare Einkommen ist keine feste Grösse. Vielmehr wird es jenseits des Einflussbereichs der Familie durch zahlreiche Politikfelder beeinflusst. So setzt die Arbeitsmarktpolitik den Rahmen für das Erwerbseinkommen und die Sozialund Steuerpolitik verändert die Höhe des Bruttoeinkommens. Auch die Wohnbaupolitik nimmt Einfluss auf die Höhe der Mieten.

Doch damit nicht genug. Auch die Kaufkraft des frei verfügbaren Einkommens wird politisch mitbestimmt. Die Geldpolitik wirkt sich auf die Inflationsrate aus: Wird alles teurer, kann sich die Familie immer weniger leisten. Dasselbe passiert, wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird, um zum Beispiel die AHV-Renten zu finanzieren. Familien mit tiefen Einkommen trifft dies härter als Familien mit hohen Einkommen; das zeigt ein Vergleich zwischen den 20 Prozent ärmsten und den 20 Prozent einkommensreichsten Familienhaushalten. Das Verhältnis der Bruttoeinkommen beträgt 1:3,7, das Verhältnis der frei verfügbaren Einkommen aber 1:4,6. Den ärmsten Familienhaushalten bleibt knapp die Hälfte des Bruttoeinkommens zur freien Verfügung, den reichsten aber 60 Prozent. Sie können davon noch 5587 Franken auf die Seite legen, während die ärmsten Familienhaushalte im Schnitt 100 Franken an Vermögen verbrauchen oder Schulden machen müssen.

Die Antwort auf die Einstiegsfrage – wie viel Geld haben Schweizer Familienhaushalte tatsächlich? – ist also deutlich schwieriger zu geben als gedacht. Viele politische Akteure mit unterschiedlichsten Interessen nehmen Einfluss auf das frei verfügbare Einkommen. Niemand fühlt sich aber für das Ergebnis wirklich verantwortlich.