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Strassenmagazin

Der Lockdown als Sprungbrett

Dier Redaktion hat aus der Not im Lockdown eine Tugend gemacht. Sie ist personell und inhaltlich zusammengerückt und hat Grosses angestossen: etwa eine fünfteilige Serie zur IV, ein Sonderheft zu Kinderarmut und die Verkäufer*innenkolumne.

Die Auflage des Strassenmagazins ist 2020 laut der neusten WEMF-Studie weiter auf 20'030 Exemplare gewachsen (Foto: KEYSTONE/Christian Beutler).

Auch wenn das Strassenmagazin während des Lockdowns ohne die Strasse auskommen musste, so wurde es doch weiterhin produziert – und dies, so glauben wir, «better than ever». Die Redaktion ist näher zusammengerückt und hat ihre Rolle neu definiert: weil wir während des eingestellten Strassenverkaufs kaum Aufträge vergeben konnten, schrieben wir vieles selbst, was uns zwar kurzzeitig in die Überzeit katapultierte, aber inhaltlich und für das Team enorme Fortschritte brachte. Dies war Sprungbrett dafür, auch nach dem Lockdown in ähnlicher Weise grössere Themen und investigative Recherchen anzugehen, aus denen im Verlauf des Jahres Dossiers, zahlreiche Reportagen sowie ein Themenheft entstand.

Zum Abschluss der IV-Serie lieferte das Surprise Nr. 487 sechs Vorschläge für eine Reform, wie sie Politik, Fachpersonen, Lobby- und Betroffenenorganisationen fordern.

Serie zur Invalidenversicherung

Erstmals in der Geschichte des Strassenmagazins haben wir eine grossangelegte Recherche über das «System IV» durchgeführt und in fünf Teilen auf insgesamt 35 Seiten publiziert. Die Serie umfasst Reportagen, Hintergrundartikel, Interviews, Statistiken sowie einen offenen Brief an den Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset und dürfte in dieser Form in der hiesigen Medienlandschaft beispiellos sein. Entsprechend gross war das Echo, nicht nur von Seiten der Leser*innen, sondern auch von Expert*innen.

Surprise Nr. 484, das Sonderheft zu Kinderarmut.

Sonderheft zu Kinderarmut

Das Sonderheft zu Kinderarmut nahm ein wenig beachtetes Thema in den Fokus: armutsbetroffene Kinder und Jugendliche. Damit haben wir eine Brücke geschlagen zu einer Zielgruppe und Organisationen, die uns bisher eher weniger im Fokus hatten.

Ein weiterer Höhepunkt waren die digital übertragenen Lesungen im «Jenseits im Viadukt» in Zürich zusammen mit der Schreibwerkstatt der Caritas im Rahmen von Zürich liest. Dort hatten unsere Autor*innen der neu eingeführten Verkäufer*innenkolumne zusammen mit Stephan Pörtner, langjähriger Kolumnist und (Mit-)Betreuer der Kolumnentexte, mitten in der Pandemie einen öffentlichen Auftritt. Besonders erfreulich: Die Surprise-Verkäufer*innen traten so in der Rolle als Autor*innen auf – und nicht in erster Linie als «Armutsbetroffene».

Sorgte für manch enervierten Leser*innenbrief: die Einführung des Gendersternchens.

Im Einsatz für gerechte Teilhabe

Auf grosse Resonanz stiess auch das von uns aufgegleiste Gespräch zwischen vier Black-Lives-Matter-Aktivist*innen rund um unsere Kolumnistin Fatima Moumouni sowie ein Text zum kritischen Weisssein. Zwar führte die Einführung des Gendersternchens zu einer Flut von kritischen Leser*innen-Zuschriften. Für uns ist daran jedoch nicht zu rütteln: Surprise setzt sich durch eine klare Haltung für die gerechte Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen an der Gesellschaft ein.

Daneben sind wir unserer bisherigen Tradition treugeblieben und haben Kernthemen von Surprise nicht abstrakt abgehandelt, sondern in teils aufwändigen Reportagen nahe an Betroffenen selbst zu erzählen versucht; dazu gehörten Sans-PapiersDrogenabhängigeBetroffene von häuslicher GewaltCare-Leaver*innenSexarbeiter*innen.

Reportagen aus Konfliktgebieten

Mit Auslandreportagen haben wir teils auf aktuelle Geschehnisse reagiert wie auf die Frage des Umgangs mit inhaftierten Islamisten in Syrien und die Situation entlang der sogenannten Balkanroute, teils auf vergessene Konflikte aufmerksam gemacht wie etwa den Ukraine-Krieg und Bergkarabach (der kurz danach erneut heftig eskalierte). Und: Neben dem Teaser-Podcast «Surprise Talk» starteten wir mit den Aufnahmen für einen neuen mehrteiligen Podcast mit einem angehenden Surprise-Stadtführer, produziert von This Wachter/Storylab.

2020 hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Wir haben Themen auf den Tisch gebracht, die in der Medienlandschaft andernorts keine aktuellen Schlagzeilen machten, aber Dringlichkeit haben. Das ist ein Weg der journalistischen Arbeit, den wir weiter gehen wollen.

Zahlen und Fakten

Zahlen und Fakten

  • Trotz Lockdown und verwaisten Innenstädten setzten die Verkäufer*innen 441’223 Exemplare des Strassenmagazins ab. Das sind nur 72’100 weniger als im Vorjahr.
  • Die Auflage des Strassenmagazins ist laut der neusten WEMF-Studie weiter auf 20’030 Exemplare gewachsen.
  • Die Weihnachtsausgabe des Strassenmagazins verzeichnete eine Auflage von 64’000 Exemplaren gegenüber 58’000 im Vorjahr.