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Soziale Stadtrundgänge

Endlich wieder loslegen

2022 waren die Sozialen Stadtrundgänge endlich wieder ohne Einschränkung möglich: Die 12 Tourguides in Basel, Bern und Zürich gingen deshalb mit viel Elan durchs Jahr. Gemeinsam beeindruckten sie mit ihren vielseitigen Touren und berührenden Geschichten 16'420 Besucher*innen. Dazu kam die Entwicklung und Lancierung neuer Touren, die Medienarbeit und die Teilnahme an verschiedensten Anlässen und Fachtagungen. Auch die Ausbildung neuer Stadtführer*innen, die ab 2023 im Einsatz stehen sollen, schritt weiter voran.

Im neuen Angebot "Surprise macht Schule" gestalten die Tourguides mit den Schüler*innen halbtägige Workshops, in denen diese in aktivem Miteinander sorgfältig an die Themen Armut, Obdachlosigkeit und Ausgrenzung herangeführt und dafür sensibilisiert werden

Ausbildung zum Tourguide

Potenzielle Tourguides zu finden, die die herausfordernde Aufgabe eines eigenen Stadtrundgangs auf sich nehmen können und wollen, ist immer eine fordernde Aufgabe. So ist es besonders erfreulich, dass Zürich zwei Interessierte ihre Ausbildung starten konnten, während in Basel eine neue Stadtführerin an einer thematisch neuen Tour arbeitete. Ein ganz besonderer Moment kam Anfang Winter für Stadtführerin Kathy Messerli. Die 40-Jährige schloss ihre allererste Ausbildung erfolgreich ab und startete als Surprise Stadtführerin mit ihrer eigenen Tour in Bern.

Ende November startete Kathy mit positivem Medienecho ihre Tour «Gewalt, psychische Erkrankung und Armut» nach über zweieinhalb Jahren intensiver Vorbereitungs- und Ausbildungszeit. Sie spricht darin offen über die Folgen traumatisierender sexueller Gewalt in der Kindheit. Sie zeigt auf, wie ihr Leben in eine Abwärtsspirale geriet, aber auch wie sie ihren Alltag heute gestaltet. Wie auch bei den anderen sozialen Stadtrundgängen ging Kathys Tour viel Arbeit voraus, mit ständiger Selbstreflexion, dem Aushalten von Rückschlägen und Auffangen von Unsicherheiten, und natürlich im Rahmen mit einer sorgsamen Begleitung durch Surprise.

Kathy Messerli spricht auf ihrer Tour offen über Tabu-Themen.

Neu- und Umgestaltung – und Abschied

Die Entwicklung neuer Touren verlangt den Guides viel ab – sowohl den angehenden Stadtführer*innen wie auch den Erfahrenen, die eine neue Route erstellen oder eine bestehende Tour anpassen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, die Hintergrundrecherchen, die Auswahl der Orte und Institutionen aber auch die Konfrontation mit den strukturellen, armutsbedingenden Faktoren ist immer von Neuem fordernd. 

In Basel beschäftigte der Aufbau einer neuen Tour mit Fokus auf Migration eine angehende Stadtführerin, während in Zürich zwei angehende Tourguides an ihrem Debut arbeiteten. In allen drei Städten wurden die bestehenden Touren aufdatiert und angepasst, da die Institutionen, die auf den Stadtrundgängen besucht werden, haben ihre Angebote als Folge von Corona veränderten und entsprechend in den Rundgängen anders präsentiert werden müssen. 

Stadtführer Tersito «Tito» Ries hält eine Stadtführung auf englisch.

In Zusammenarbeit mit einem internationalen Tourismusanbietern wurden in Basel durch Tourguide Tito Ries erstmals 16 englischsprachige Führungen zum Thema «Armut und Reichtum» für Tourist*innen durchgeführt. In Zürich gestaltete Tourguide Hans Rhyner seine Tour um, versah sie mit neuen Stationen und gab seiner persönlichen Lebensgeschichte in «Wege aus der Sucht» mehr Raum.

Nach neun Jahren musste Daniel Stutz seine Stadtführungen aus gesundheitlichen Gründen einstellen.

Und leider gab es 2022 auch einen Abschied: Daniel Stutz, Zürcher Stadtführer der ersten Stunde, musste aus gesundheitlichen Gründen 2022 eine längere Pause einlegen, und hat in gegenseitigem Einverständnis per Februar 2023 seine Arbeit bei Surprise beendet. Wir bedanken uns für die neun Jahre wertvolle Arbeit, für seine gesellschaftlich verordneten aber stets persönlichen und authentischen Stadtrundgänge, und wünschen ihm für die Zukunft nur das Beste.

Forschung, Vernetzung und Anerkennung

Die Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen in Zürich (ZHAW), in Olten (FHNW) und in Bern (BFH) intensivierte sich 2022. Dies zeigen der systematische Einbezug der Surprise Stadtführer*innen als Expert*innen an Anlässen zum Thema Armut der FHNW in Olten, die Mitarbeit von der Zürcher Stadtführerin Sandra Brühlmann an einem Pilotprojekt des Departements für Soziale Arbeit der ZHAW als Dozentin und Expertin in der Ausbildung oder die intensive Mitarbeit am Pilotprojekt «Erfahrung und Fachwissen gemeinsam nutzen» an der Berner Fachhochschule. Ein Highlight für die Stadtführer*innen sowie das Surprise-Team waren zudem die dreitägige Weiterbildung des Dachverbandes der Sozialen Stadtrundgänge (INST) in Zusammenarbeit mit der FHNW: Am Kongress nahmen Stadtführer*innen aus Deutschland, Grossbritannien, Griechenland, Österreich und der Schweiz teil.

Die Geschichten der Surprise-Stadtführer*innen stiessen auch neben den Touren auf reges Interesse. Im Dokumentarfilm «Aufzeichnungen aus dem Abseits» von Silvan Maximilian Hohl ist Stadtführerin Sandra Brühlmann eine der drei Protagonist*innen – Premiere war am 7. Mai 2022. Sie erlaubt einen persönlichen Einblick in ihr Leben am Rande der Gesellschaft in der Stadt Zürich. Der fünfteilige Podcast «Tito – vom Obdachlosen zum Stadtführer» dokumentiert die Entwicklung von Tito Ries zum Surprise Stadtführer und ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen der Arbeit von Surprise – und wurde auch am Sonohr-Podcast-Festival nominiert. Zu finden auf Spotify, Apple Podcast oder auf der Surprise Webseite

Und dann waren da noch 25 spannende Medienberichte über die sozialen Stadtrundgänge von Surprise – unter anderem das Interview von Kinderreporterin Matilda, die Sandra Brühlmann für die Kindersendung Zambo-Bus auf der Strasse über ihre Zeit als Obdachlose interviewte. Daraus entstand der hörenswerte Podcast «Dieses Gitter war mein Bett» 

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Strassenverkäufer Benno Fricker bei einem Schulbesuch im Rahmen des Programms "Surprise macht Schule".

Von der Strasse in die Schule

Strukturell ist «Surprise macht Schule» den Sozialen Stadtrundgängen angegliedert, ist aber de Facto ein eigenes Angebot. Denn das Projekt ist weit mehr als ein einfacher Vortrag der Stadtführer*innen im Klassenzimmer: Die Tourguides gestalten mit den Schüler*innen halbtägige Workshops, in denen diese in aktivem Miteinander sorgfältig an die Themen Armut, Obdachlosigkeit und Ausgrenzung herangeführt und dafür sensibilisiert werden. Dazu kommen auch eigens ausgearbeitete, Lehrplan21-kompatible Materialien zum Einsatz: Arbeitsblätter, Gruppen- oder Partnerarbeiten, und natürlich viel Dialog mit den Betroffenen. Seit der Lancierung des Angebots im Sommer 2022 konnten die Surprise-Stadtführer*innen so bis Ende Jahr 240 Schüler*innen im Alter von 14-15 Jahren erreichen.

Zahlen und Fakten

  • Mit Kathy Messerli bekommt die Stadt Bern ihre zweite Stadtführerin.
  • Durch einen Zuwachs von über 30 Prozent erreichte der Umsatz endlich wieder das Niveau vor der Pandemie
  • Auf insgesamt 1070 Touren wurden 16‘420 Besucher*innen durch Basel, Bern und Zürich geführt.
  • Seit dem Start der Sozialen Stadtrundgänge 2013 ermöglichten wir bereits 107‘297 Personen einen anderen Blick auf ihre Stadt.