Strassenmagazin

#546: Obdachlosigkeit: Noras Geschichte

Lotti hat wenig Geld. Mein Kollege Klaus Petrus traf die ältere Dame vor langer Zeit und schrieb ihre Geschichte für uns auf. In dieser ging es um das Leben als arme ältere Frau in unserer Gesellschaft. Was macht der Geldmangel mit
ihr, was mit ihrem Sozialleben? Einige Jahre später traf er sie wieder. Und erzählt nun noch den zweiten Teil ihrer Geschichte, nämlich den über Lotti. Was sie so macht, und was sie mag. Weil sie mehr ist als nur arm. Oft erzählen Journalist*innen persönliche Geschichten so, als wären sie massgeblich durch einen zentralen Faktor bestimmt, in Lottis Fall die knappen Finanzen.

Dabei lassen sie manchmal aussen vor, dass eine Person möglicherweise auch gern schwimmt, Kinder zur Welt gebracht hat, welche Berufsausbildung sie hat und ob sie gern Velo fährt. Lotti zum Beispiel mag Kartoffelsalat. Für einen aussagekräftigen Artikel spielen nicht immer alle Facetten einer Person eine Rolle. Sehr wohl aber für deren Identität. So ist es für Lotti, und so sind auch die Protagonist*innen der Recherche von Lea Stuber über die Lebensmittelversorgung von Armutsbetroffenen mehr als nur knapp bei Kasse – auch wenn wir uns auch diesmal auf diesen Aspekt ihres Lebens beschränkt haben, um eine klare Aussage zu treffen. Wer wenig Geld hat, kann sich nur selten aussuchen, was er oder sie isst – und ist oft sogar auf andere angewiesen, um satt zu werden.