Strassenmagazin

#581 Diskriminiert die IV?

Man rappelt sich auf, kämpft sich zurück, sieht endlich Land, ist wieder bei den Leuten. Unzählig sind die Wendungen für etwas, das wir alle kennen: Man ist ein Weilchen unten und dann geht’s wieder aufwärts.

Ich frage mich oft, wie das sein muss: Wenn man unten ist und unten bleibt.
In diesem Heft erzählen wir gleich zwei Geschichten von Menschen, die ganz unten sind. Die eine spielt in Agbogbloshie bei Accra in Ghana, ab Seite 16. Aus allen möglichen Ländern türmt sich hier der Elektroschrott zu Bergen von Plastik, Monitoren, Kabeln und Smartphones, der von Müllsammlern abgetragen wird – eine Drecksarbeit, die die Männer ihre Ge- sundheit kostet und Accras Küste und Umland mit Schadstoffen belastet. Natürlich gibt es Alternativen wie nachhal- tiges Recycling, auch davon ist in der Reportage die Rede, nur: Dafür muss man schon viel weiter oben auf der Leiter sein,
muss Geld haben, Investoren und Maschi- nen. Für die Müllsammler von Agbogbloshie klingt das wie von einem anderen Stern.

Die andere Geschichte handelt von einer Frau, die seit Jahren geplagt ist von Depressionen und trotz Gutachten keine Rente bekommt. Für die Erkrankung mit- verantwortlich sind psychosoziale Faktoren: Die Frau ist Schwarz, Muslima, sie wurde zwangsverheiratet, ist zudem arm – und gehört damit zu denen, die gleich mehrfach diskriminiert werden. Genau solche psychosozialen Faktoren werden von der IV aber weitgehend ignoriert; was im Grunde darauf hinausläuft, dass die Frau in ihrer Erkrankung nicht anerkannt wird.
Der Fall wirft eine grundsätzliche Frage auf: Erhält die Betroffene keine
Rente, weil sie ganz unten ist?

Wir suchen eine Antwort darauf.