#595 Ausbürgerung: Entrechtet
Ein Grundsatz der patriarchalen Weltordnung ist, dass die Erblinie über den Vater läuft. So mutet es folgerichtig an, ausländische Frauen einzubürgern, wenn sie einen Schweizer heiraten, und Schweizerinnen auszubürgern, wenn sie einen Ausländer heiraten. (Denn die potentiellen Nachfahren wären in diesem Weltbild ja keine «richtigen» Schweizer*innen.) So hielt es denn auch die Schweiz bis 1952 und in einer abgeschwächten Form sogar bis in die Neunzigerjahre. Heute erscheint uns das als Unrecht, als schwer verständliche Ungleichbehandlung der Geschlechter – fast als Absurdität. Unsere neue Redaktorin Esther Banz ist Nachfahrin einer derart ausgebürgerten Frau und hat die Geschichte dieser Rechtspraxis inklusive ihrer Nachwirkungen bis heute für uns aufgeschrieben.
Zur Zukunft der Strassenzeitungen in einer digitalen Welt haben sich die Kolleg*innen vom Vorarlberger Strassenmagazin Marie Gedanken gemacht – und den Medienwissenschaftler Andy Kaltenbrunner interviewt. Er sieht neben Herausforderungen auch Chancen: So erhöht zum Beispiel die Bindung zwischen Kund*innen und Verkäufer*innen sowie der soziale Zweck den Grund, noch länger an einem klassischen Printmedium festzuhalten. Kleine unabhängige, communitygetragene Medienprojekte – ob digital oder nicht – sind ein wichtiger Teil einer vielfältigen Medienlandschaft, auf die unsere Demokratie nicht verzichten kann.
Verzichten können wir auch nicht auf eine offene Debatte. Besonders gut zelebrieren dies Max Czolleck und Aladin El-Mafaalani mit ihrer Gesprächsrunde «Pentagon» in Dortmund, von deren Konzept sich der neue «Ort der Begegnung» inspirieren lassen hat: offen, kosten- und barrierefrei zugänglich für alle, absichtlich divers und unhierarchisch.
Zudem verabschieden wir Stadtführer Roger Meier in Bern, der keine Touren mehr läuft, lassen uns von Fatima Moumouni erklären, warum preppen, lernen von Seynab Ali Isse etwas übers Vergeben und von Yvonne Kunz und Priska Wenger etwas über die Notwendigkeit konstruktiver Debatten statt inszenierter Prozesse. Monika Bettschen und Adelina Gashi stellen uns die Filme LesCourageux und Naima vor, Christopher Zimmer bespricht ein Katzenbuch und Stephan Pörtner ist in Kriegstetten unterwegs. Das Verkäufer*innen-Porträt kommt diesmal von den Kolleg*innen aus Schweden: Sandra Pandevski stellt uns Suzanne vor, die Faktum in Göteborg verkauft.