Das Gewicht des Wortes
Für die Asylanhörung sind Dolmetscher*innen unverzichtbar. Dabei über setzen sie nicht nur Worte, sondern auch zwischen Welten – und geraten nicht selten zwischen alle Fronten. Drei von ihnen erzählen.

«Die Dolmetscherin übersetzt meine Fragen und Ihre Antworten Wort für Wort, sie ist neutral und unparteiisch, sie stellt keine eigenen Fragen und hat keinen Einfluss auf den Asylentscheid.» Ein Satz wie dieser fällt zu Beginn jeder Asylanhörung. Er klingt nach Rechtsstaat, nach Präzision, nach Sicherheit – und bleibt doch in vielerlei Hinsicht Fiktion.
Als die Dolmetscherin Sara Z. im Auftrag des Staatssekretariats für Migration (SEM) zu ihrer ersten Asylanhörung in Basel erschien, hatte niemand sie darauf vorbereitet. Hauptberuflich arbeitet sie in einem anderen Feld, sie dolmetscht nur gelegentlich – ein Zusatzjob, der ihr sinnvoll erscheint, sie aber schon bald an Grenzen brachte.
Der Raum, in dem die Anhörung stattfand, wirkte steril. Alle Anwesenden schienen ein wenig angespannt – als wüssten sie, dass jedes Wort Gewicht hat.
Sara Z., die eigentlich anders heisst (siehe Infobox S. 10), kannte weder den Ablauf noch ihre Rechte und Pflichten, das SEM hatte sie nicht darüber informiert. Die Befragung war inhaltlich komplex, gespickt mit juristischen und verwaltungssprachlichen Begriffen, die ihr in beiden Sprachen fremd waren. Sie hatte Glück: Der SEM-Befrager war auf das Herkunftsland des Asylsuchenden spezialisiert. Er erklärte Sara Z. einzelne sprachliche Formulierungen und stellte sie in einen Zusammenhang. Bei einer anderen befragenden Person wäre sie vermutlich überfordert gewesen, und das hätte Folgen für den Asylentscheid haben können. Erst später wurde Sara Z. bewusst, dass der Verlauf einer Anhörung und damit die Zukunft des Asylsuchenden stark vom Fachwissen – und auch der Haltung – der SEM-Befrager*innen abhängen.
Kein Wasser, das Baby nicht stillen
Wer dolmetscht, sitzt mittendrin – zwischen SEM-Befrager*innen, Asylsuchenden und Rechtsvertretungen. Die Hoheit im Raum liegt bei der befragenden Person des SEM: Sie bestimmt Ton, Ablauf, Tempo. Für Dolmetscher*innen bedeutet das auch, belastende und stressige Situationen auszuhalten – oder sich, wenn Grenzen überschritten werden, gegen problematisches Verhalten zu behaupten.
Einmal betrat der SEM-Befrager den Warteraum, ging auf Sara Z. zu und verlangte – ohne Begrüssung – ihre N-Nummer, jene Nummer, die Asylsuchende bei der Registrierung erhalten. Erst ein anderer Dolmetscher klärte den Irrtum auf, dass es sich bei Sara Z. um die Dolmetscherin handle. Eine Entschuldigung blieb aus. Im Anhörungszimmer untersagte derselbe Befrager dem Asylsuchenden, Sara Z. anzusehen – eine Anweisung, die er während der Anhörung mehrfach wiederholte. Sie hatte keinen erkennbaren Zweck, ausser zu zeigen, wer im Raum das Sagen hatte. Die Stimmung war angespannt.
Eine andere Szene hat sich Sara Z. besonders eingeprägt: Eine SEM-Befragerin wirkte unsicher und stellte dieselben Fragen immer wieder – ohne erkennbares Konzept. Als Sara Z. eine Formulierung übersetzen sollte, erhielt sie die Anweisung, sie solle «neutral, wertfrei und ohne eigene Meinung» übersetzen. Für Sara Z. ist das Teil ihres beruflichen Selbstverständnisses, die Belehrung irritierte sie. Als Sara Z. entgegnete, sie könne unter diesen Umständen nicht arbeiten, wurde sie ignoriert. Die Befragung ging in ähnlichem Stil weiter – die Asylsuchende wie auch Sara Z. wurden immer wieder unterbrochen, die SEM-Befragerin runzelte die Stirn oder lachte in unpassenden Momenten laut heraus. Sara Z. wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
Auch die Dolmetscherin Mina R. hat ähnliche Situationen erlebt. Sie erzählt von einem Asylsuchenden, der mit dem Rücken zur SEM-Befragerin platziert wurde.
In einer anderen Anhörung verweigerte der SEM-Befrager allen Beteiligten Wasser mit dem Hinweis: «Das hier ist kein Restaurant.» Besonders irritiert war Mina R. von einer Befragung mit einer stillenden Frau. Als diese nach zwei Stunden um eine Pause bat, wies die SEM-Befragerin sie mit den Worten «Stellen Sie sich nicht so an» zurecht.
Fälle wie diese sind womöglich keine Ausnahmen. Die zwei Dolmetscherinnen berichten unabhängig voneinander von ähnlichen Erlebnissen – und ziehen ein vergleichbares Fazit: Viele SEM-Befrager*innen hätten offenbar nie gelernt, mit Unsicherheit, kultureller Differenz und persönlichem Stress professionell umzugehen, oder dies im Laufe der Zeit verlernt.
Das SEM weist diese Kritik zurück und verweist auf das Kompetenzprofil der Befrager*innen. Diese seien Hochschulabsolvent*innen, erfüllten die Anforderungen in Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz und würden vertieft in Anhörungstechnik ausgebildet. Auch der Umgang mit Stresssituationen sei Teil dieser Schulungen.
Wie es im Anhörungszimmer zugeht, hängt stark von den beteiligten Personen ab – insbesondere von den Befrager*innen des SEM. Aus Sicht der drei Dolmetscher*innen ist dabei die Sozialkompetenz ebenso wichtig wie das fachliche Wissen. Und diese variiert stark.
Ali B., der dritte befragte Dolmetscher, sagt: Neue SEM-Befrager*innen würden sich oft so fest an vorbereitete oder übernommene Fragenfolgen klammern, dass sie auf Zwischentöne kaum eingehen können. «Sie stellen Fragen, die sie selbst nicht verstehen – oder dieselben fünfmal. Das zermürbt alle im Raum.» Eigentlich müsste in diesen Fällen im Protokoll vermerkt sein, dass eine unerfahrene, überforderte Person die Anhörung geleitet habe, findet Ali B. «Sonst ist es unfair.» Auf der anderen Seite gebe es langjährige, teils abgestumpfte SEM-Befrager*innen, die sich schon vor der Anhörung ein Urteil bilden und dies auch offen kundtun würden. «Zum Glück gibt es aber auch einige mit Erfahrung, die ein Minimum an Empathie haben», sagt Ali B.
Ein heikles Thema
Asylanhörungen beim Staatssekretariat für Migration (SEM) sind nicht öffentlich. Was hier gesprochen wird, bleibt vertraulich. Im Raum sitzen normalerweise fünf Menschen: die befragende Person vom SEM, jemand fürs Protokoll, die asylsuchende Person, ihre Rechtsvertretung – und die Person, die übersetzt. Über Dolmetscher*innen zu schreiben, heisst sich einem System zu nähern, das von Diskretion lebt. Die Namen der drei von uns befragten Dolmetscher*innen wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert. Auch auf die Nennung der von ihnen übersetzten Sprachen wurde verzichtet, um Rückschlüsse auf ihre Identität zu vermeiden. Zwei von ihnen dolmetschen Sprachen aus dem ostafrikanischen Raum, eine Sprachen aus Südasien.
Auch Sara Z. sagt: Es gebe SEM-Befrager*innen mit echter Sensibilität – und andere, die ihrer Meinung nach den Beruf verfehlt hätten. Besonders problematisch sei der Umgang mit Themen wie Folter oder sexualisierter Gewalt, wo Traumata im Spiel seien. «Wenn Betroffene nach Details gefragt werden, ist das nicht nur unnötig, sondern entwürdigend und grenzüberschreitend», sagt Sara Z. Solches Unvermögen zeigt sich laut Mina R. auch in anderen Situationen. Wenn eine asylsuchende Person beispielsweise weine, würden viele SEM-Befrager*innen hilflos reagieren, sie schauen weg oder unterbrechen das Gespräch mit einem «Beruhigen Sie sich», so Mina R.
Manche sind menschlich
Sara Z. erzählt allerdings auch von einer emotionalen Anhörung, bei der die SEM-Befragerin auf alle Beteiligten Rücksicht nahm – auch auf sie als Dolmetscherin. Sie fragte nach, ob das Tempo stimme, ob jemand eine Pause brauche, und achtete auf Zwischentöne. «Unter solchen Umständen kann ich tagelang übersetzen», sagt Sara Z. «Wenn die Stimmung stimmt, ist man zu vielem fähig.» Auch Ali B. schildert eine Situation, in der der SEM-Befrager fair, transparent und respektvoll gewesen sei. So wandte er sich vor der Pause ausserhalb des Protokolls an den Asylsuchenden und bemerkte, dessen bisherige Aussagen würden nicht glaubhaft wirken – und ob er nach der Pause nicht seine wahre Geschichte erzählen wolle. «Das war sehr menschlich», sagt Ali B. «Eigentlich sollte dies Standard sein. Aber es gibt zu viele SEM-Befrager*innen, die Asylsuchende lieber in eine Falle tappen lassen.»
Als Dolmetscher*innen gehört es nicht zu ihren Aufgaben, sich zur möglichen Herkunft von Asylsuchenden zu äussern. Trotzdem wurden alle drei Dolmetscher*innen schon von SEM-Befrager*innen als Herkunftsspezialist*innen beigezogen. «Ich weiss, du darfst das zwar nicht sagen, aber …» – so würden entsprechende Fragen oft eingeleitet, berichtet Mina R.
Wird Sara Z. gefragt, aus welchem Teil eines Landes eine asylsuchende Person vermutlich stammt, reagiert sie meist ausweichend. Darauf hinzuweisen, dass dies nicht zu ihren Aufgaben gehöre, sei heikel. Wer zu sehr auf seine Rolle poche, riskiere, seltener gebucht zu werden, sagt sie.

Das SEM erklärt dazu, für Dolmetscher*innen gälten klare Regeln. Gemäss dem Verhaltenskodex hätten sie sich «strikt auf ihre Rolle als Sprachmittelnde zu beschränken» und dürften «keine Beurteilung zur Provenienz der Asylsuchenden abgeben». Auch die SEM-Befrager*innen seien über diesen Kodex und die Folgen seiner Nichteinhaltung informiert. Seit Einführung des Kodex habe es diesbezüglich «keine Meldungen von Dolmetschenden» mehr gegeben, so das SEM weiter.
Die Schilderungen der drei Dolmetscher*innen zeichnen ein anderes Bild. Mina R. spricht von systematischer Bevorzugung. «Dolmetscher*innen, die sich für Herkunftsanalysen hergeben, die Befrager*innen beschenken oder diese gar zu sich nach Hause einladen, werden permanent eingeplant.» Sie erwähnt die Geschichte eines in Afghanistan geknüpften Teppichs mit dem Logo des Lieblingsfussballvereins eines SEM-Mitarbeiters. Auch für Ali B. ist klar: Die professionelle Distanz müsse gewahrt bleiben. «Wenn sich Dolmetscher*innen auf solche Spielchen einlassen, widerspricht das dem Auftrag», sagt er. «Wäre ich verantwortlich, würde ich solche Dolmetscher*innen entlassen.»
Für viele Dolmetscher*innen ist Abhängigkeit jedoch Teil ihres Alltags, sie sind auf Honorarbasis angestellt und auf Aufträge angewiesen. «Ich habe Angst, belastende Situationen zu melden», sagt Mina R. «Das Risiko, keine Aufträge mehr zu erhalten, ist zu gross.» Sie wünscht sich eine vom SEM unabhängige Anlaufstelle. Sara Z. teilt diese Einschätzung. Sie sagt: «Wenn ich ein Problem habe, ist niemand da.»
Das SEM erklärt dazu, die Dolmetscher*innen hätten «die Möglichkeit, ihre Ansprechperson beim SEM zu kontaktieren». In schwerwiegenden Fällen könnten sie sich auch an die Polizei wenden. Zur Einsatzplanung der Dolmetscher*innen heisst es weiter: «Es gibt keinerlei Wunschlisten. Die Befragenden, die mit Dolmetschenden arbeiten, sind in die Planung nicht involviert.» Doch die Schilderungen der drei Dolmetscher*innen zeigen, dass solche Strukturen sie kaum schützen.
In der Praxis sei der Handlungsspielraum eng und das Machtgefälle spürbar. Und dies wiederum wirke sich auf die Atmosphäre in den Anhörungen und am Ende auf die Asylentscheide aus. Wer auf Aufträge angewiesen sei, wende sich kaum an dieselbe Institution, von der diese Aufträge abhängen.
Offiziell keinen Einfluss, aber …
Von den Dolmetscher*innen wird viel erwartet – unter anderem Neutralität. Doch in der Realität ist dieses Ideal schwer einzulösen. Umso mehr gilt: Wer dolmetscht, muss sich der eigenen Haltung bewusst sein wie auch der Verantwortung, die damit einhergeht. Denn auch wenn Dolmetscher*innen offiziell keinen Einfluss auf das Verfahren haben, erleben viele von ihnen das Gegenteil. «Eigentlich könnte ich übersetzen, was ich will – niemand im Raum versteht beide Sprachen», sagt Sara Z. «Die Asylsuchenden sind uns ausgeliefert», ergänzt Mina R. Sie fordert mehr Transparenz: «Anhörungen sollten aufgezeichnet werden.»
Grundsätzlich bemühe sie sich um Neutralität, sagt Mina R. Sie wolle niemandem helfen – aber auch niemandem schaden. Doch wenn das Verhalten von SEM-Befrager*innen Grenzen überschreite, greife sie ein. In einem besonders krassen Fall beklagte sie sich in der Pause auf dem Flur über die SEM-Befragerin. Diese habe – so schildert Mina R. – wiederholt die Bedürfnisse der vulnerablen Asylsuchenden und auch ihre eigenen ignoriert, sich respektlos und herablassend verhalten. Eine andere Mitarbeiterin bekam den Vorfall mit und riet ihr, sich schriftlich an die Sektionsleitung zu wenden. Mina R. folgte dem Rat – ohne grosse Erwartungen. «Ich wusste, dass sich nichts ändern würde», sagt sie. Die Befragerin arbeitete weiter dort – wie auch andere, bei denen sie immer wieder ähnliches Verhalten erlebt.
Neben der Frage der Neutralität stellt sich eine weitere Herausforderung für die Dolmetscher*innen: die Erwartung, Wort für Wort zu übersetzen. Eine Vorgabe, die sich in der Praxis kaum umsetzen lässt. «Wir alle wissen, dass das nicht geht», sagt Ali B. «Wenn man sich wirklich daran hielte», ergänzt Sara Z., «würde niemand etwas verstehen – und das Protokoll wäre unbrauchbar.» Wo übersetzt wird, fehlen Wörter, Bedeutungen schwanken, Satzstrukturen weichen ab.
In vielen Sprachen gibt es keine Entsprechung für juristische oder kulturell spezifische Begriffe – oder ein einzelnes Wort umfasst mehrere Bedeutungen: Streit, Schlägerei, Krieg. «Ohne Kontext wird es sofort missverständlich», sagt Mina R. Wie Sara Z. betont auch sie, dass in solchen Fällen nachgefragt, erklärt oder vorsichtig umformuliert werden müsse. Doch Nachfragen seien offiziell nicht vorgesehen und würden nicht von allen SEM-Befrager*innen geduldet. Vor allem unsichere oder neue Dolmetscher*innen hielten sich lieber zurück – aus Angst, dass ihnen mangelnde Sprachkompetenz unterstellt wird.
Missverständnisse können weitreichende Folgen haben. Wenn ein Asylsuchender etwa «Familie» sagt, meint er vielleicht nur seine Eltern und nicht, wie das auch sein könnte, den ganzen Verwandtschaftskreis. Wird hier nicht nachgefragt, entstehen rasch vermeintliche Widersprüche, die im Entscheid gegen den Asylsuchenden verwendet werden können. Hinzu kommt der Zeitdruck: Gerade bei der Rückübersetzung müssten häufig ganze Passagen, manchmal sogar Seiten ausgelassen werden, berichtet Sara Z. – weil der enge Takt es nicht anders zulässt.
Auch Tonfall, Mimik, Haltung
Zwischen widersprüchlichen Vorgaben, kulturellen Missverständnissen und fehlender Rückendeckung haben Sara Z., Mina R. und Ali B. ihr eigenes Koordinatensystem entwickelt: eine Vorstellung davon, was Integrität, Professionalität und Menschlichkeit in ihrer Rolle bedeuten.
Die drei Dolmetscher*innen betonen: Sprachkenntnisse allein reichen nicht aus. Wer dolmetscht, überträgt nicht nur Worte, sondern komplexe Bedeutungen. Dazu braucht es ein vertieftes Verständnis der kulturellen Hintergründe beider Seiten. Umso erstaunlicher, dass bei der Rekrutierung kaum auf Sozialkompetenz geachtet werde, findet Ali B. «Es gibt lediglich einen Sprachtest.» Dabei seien Empathie, Menschenkenntnis sowie die Bereitschaft, eigene Vorurteile zu hinterfragen, für seine Arbeit zentral. «Die Gesprächspartner*innen müssen das Gefühl haben, dass sie wirklich miteinander sprechen.» Vertrauen sei eine Grundvoraussetzung, und dazu gehöre auch die nonverbale Ebene: Tonfall, Mimik, Haltung.
Das SEM widerspricht dem Eindruck fehlender Sorgfalt bei der Auswahl. Der Rekrutierungsprozess sei «Gegenstand eines intensiven Screenings». Neben fachlichen Kompetenzen würden auch «die Einhaltung der Rolle, die Neutralität und die Belastbarkeit» bewertet. Vor dem ersten Einsatz finde ein «ausführliches Einführungsgespräch» statt, so heisst es weiter. Zudem erhielten neue Dolmetscher*innen den Verhaltenskodex und unterzeichneten eine Vertraulichkeitserklärung.
Mina R. sieht das anders. «Das SEM interessiert es nicht, ob wir Sozialkompetenzen haben.» Auch bei ihrer Anstellung sei das kein Thema gewesen. «Ich musste lediglich ein paar Seiten lesen und unterschreiben.» Immer wieder würden SEM-Befrager*innen ihr verunmöglichen, den Kodex einzuhalten, etwa mit der Frage nach der Herkunft von Asylsuchenden.
Wie sehr sich die Anforderungen auch körperlich und emotional bemerkbar machen, weiss Ali B. aus Erfahrung. «Wenn ein Dolmetscher müde, überfordert, durstig oder hungrig ist, leidet die ganze Atmosphäre – und letztlich auch das Ergebnis.» Er hat sich deshalb angewöhnt, in solchen Momenten nicht einfach weiterzufunktionieren. «Wenn nötig, sage ich Stopp – und hole mir, was ich brauche.»
Wenn Mina R. heute in einem Anhörungszimmer sitzt, weiss sie, wie viel von ihr abhängt – und wie schmal der Grat ist zwischen Mitdenken und Einmischen. Sie hört zu, übersetzt, vermittelt, manchmal schlichtet sie, ohne dass es jemand merkt. Würde sie sich streng an alle Vorgaben halten, würde kaum eine Anhörung gelingen.
Über den Autor
DEMIAN CORNU ist freier Autor. Neun Jahre lang arbeitete er im Asylverfahren beim SEM, führte Hunderte von Anhörungen durch und arbeitete dabei mit Dutzenden Dolmetscher*innen zusammen. Diese Erfahrungen brachte er auch als einer der Protagonist*innen im mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm «Die Anhörung» von Lisa Gerig ein (2021).