Heiterkeit an der Kasse

21.11.2025Text: Lea StuberIllustration: Pirmin Beeler

Wir sind müde, von der Ar­beit, vom Tag, von dieser Welt, und hungrig dazu. Im schlimmsten Fall auch noch ideen­los für das Abendessen. Man denkt: Nur noch schnell eine Dose Pelati in den Korb legen, ist im Tunnel, im ganz eigenen Film, liegt gedanklich schon mit vollem Magen auf dem … – ah, hallo Edith, ciao, eeehm. Sie freue sich schon, erzählt sie, heute was Gutes zu essen, und suche jetzt zwischen den Äpfeln und Karotten nach ein bisschen Inspiration. Und schon verlässt man das Gespräch mit der Lieblingsnachbarin inspiriert und lächelnd.

Es gibt ja Menschen, die nicht in den Supermarkt gehen. Weil sie Leute haben, die den Einkauf für sie erledigen (weil sie sich zu schade sind dafür oder nicht gut zu Fuss). Oder weil sie sich die Lebensmittel vom Supermarkt liefern lassen oder nur auswärts essen. Alle anderen treffen sich im Supermarkt. In der Rushhour nach Feierabend drängelnd von der Gemüseecke Richtung Kühlregal, kurz vor Ladenschluss noch rein- und in Richtung Brotregal hechtend, frühmorgens die Schulkinder, die Chips kaufen für die grosse Pause. Wir sind alle da.

Ein Mann mit zwei Mineralwasser-Sechserpack und eine Frau, die nach einem Zweifränkler für den Einkaufswagen kramt, nicken sich zu: «Buongiorno.» Beim Eingang zwei plaudernde Männer. Als man einen Einkauf später mit schwerem Rucksack wieder rausgeht, hält der eine dem anderen gerade sein Telefon hin und zeigt ihm, wo er in den Ferien war. Draussen eilt ein Mann einer Frau herbei und klappt den Ständer ihres Velos hoch, den sie vor lauter Taschen an ihrem Velo selber nicht mehr erreicht. Dann lächeln sie sich an.

Ich habe schon mit einem Bekannten vor dem Saucen-Regal gestanden, wo wir den besten Ajvar erörterten. Ein anderes Mal vor dem Chips-Regal hörte ich: «Hallo Laaaura!», verwirrt – meint die freudige Frau mich? – sagte ich unbeholfen: «Ich bin Lea.» – «Ooh», leichte Enttäuschung. «Du hast eine Doppelgängerin. Sie sieht wirklich. Genau. So. Aus. Wie du.» Ich würde diese Laura ja gerne mal kennenlernen. Und es hätte gut sein können, dass Laura gerade hier einkauft. Im Supermarkt überraschen uns selbst eine Nationalrätin oder die Profi-Beachvolleyballerin nicht, auch sie müssen essen und brauchen wohl ab und an einen neuen Küchenreiniger.

Mal entdecke ich in der Schlange vor mir den Kellner aus der Quartierpizzeria, bei einer Frau studiere ich, ob ich sie nicht schon in der Yogastunde gesehen habe. Als die Kassierin meine Flasche italienischen Rotwein scannt, meint sie: «Eine super Wahl.» Diesen Wein kaufe sie auch immer. Der Mann mit dem alkoholfreien Bier entging der Kassierin ebenso wenig: «Ah! Ein Mann, der alkoholfreies Bier kauft.» Kaum jemand kennt uns so gut wie die Supermarkt-Kassier*innen.

«Uf Wiederluege», zu denen, die ihren Einkauf verstauen. «Grüessech», zu den zwei Männern, die als nächstes dran sind. Die Kassierin beginnt ein Gespräch. Über das kalte Sommerwetter? Ich schnappe «tiempo» auf, mehr Spanisch verstehe ich nicht. Dann sagt einer der beiden auf Deutsch: «Und gerne ein Siberia blau.» Die Kassierin dreht sich um, zu den Zigaretten und dem Snus hinter sich. «Ist aber nicht gesund, gäu.» Der Begleiter, schon vorne am Einpacken: «Arbeiten ist auch nicht gesund.» Und dann werfen sie eine Reihe von nicht gesunden Dingen ein, von Stress bis zu den Steuern. «Die Steuern sind am schlimmsten», meint der Mann mit dem Siberia blau, sie lachen und wünschen sich einen schönen Abend.

Am Dienstag, kurz nach 18 Uhr, aus den Lautsprechern klingt Radiomusik, eine Schlange bildet sich an Kasse 1. Vor mir steht eine junge Frau mit Kleinkind im Arm und einem grösseren im Kinderwagen. Während die Kassierin scannt, unterhalten auch sie sich. Auf Kroatisch? Oder Bosnisch, vielleicht auch Albanisch? Ich verstehe kein Wort, aber das ist mehr als Smalltalk, es geht hin und her und hin und her. Vielleicht sind die beiden Freundinnen. Oder Bekannte? Kennen sie sich über gemeinsame Freund*innen, gingen sie zusammen in die Schule? Oder haben sie sich hier kennengelernt, an der Kasse vom Denner?

Ein anderer Tag. Ein junger Mann mit einem Getränk ist an der Reihe, er nestelt in seinem Portemonnaie, entschuldigt sich und sagt dem Kassierer, dass er später nochmals komme mit mehr Geld. «Nein, nein», findet da der Mann in der Schlange hinter ihm, er übernehme das.

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